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Text von Freitag, 18. Februar 2005

> b i l d u n g<
  
 Leichenfledderer: Tollwut im Schneeballsystem 
 Marburg * (fjh)
Ein seltsames Gefühl beschleicht die Seele, wenn man einmal etwas tiefer über den neuesten Transplantations-Skandal nachdenkt. Einer 26-jährigen Frau waren nach ihrem Tod mehrere Organe entnommen und anderen Menschen eingepflanzt worden. Die Todesursache offenbarte sich den Ärzten angeblich aber erst, als auch einige Empfänger dieser Organe in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten waren. Die junge Frau war an Tollwut gestorben.
Ohne es zu ahnen, hatten die Helfer im grünen Kittel mit der Hoffnung auf ein besseres Leben auch die todbringende Krankheit weitergegeben. Beides verteilten sie großzügig an gleich sechs Empfänger.
Der Leichnam im Mainzer Universitätsklinikum diente ihnen dabei als eine Art "Ersatzteilspender", der systematisch ausgeweidet wurde. Im Schneeballsystem verteilten sie Organe und mit ihnen auch das Risiko. Von Mainz reisten die Einzelteile der Leiche nach Hannover, Hannoversch Münden, Heidelberg und nach Marburg. Überall dort bedrohten die mitgereisten Tollwut-Erreger auch das Klinik-Personal und weitere Patienten.
Doch Organ-Transplantationen sind ein Geschäft. Nicht nur die beteiligten Ärzte verdienen daran, sondern auch noch ein weitgespanntes Netzwerk von Unterstützern. Das reicht von der Vermittlugn über den Transport der Organe bis hin zu Medikamenten und Blutspenden, die der jeweilige Empfänger vor und nach der Transplantation erhält.
Natürlich handeln alle Beteiligten dabei allein aus edlen Motiven. Der Hippokratische Eid verpflichtet die Ärzte schließlich, zu heilen und zu helfen, wo sie nur können.
Die Hornhäute beider Augen hatten gleich zwei Empfängern Hoffnugn auf ein verbessertes Sehen gemacht. Dank der tollwut haben sie nun einen triftigen Grund, offenen Auges die Bedrohung des eigenen Todes vor sich zu sehen.
Warnende Hinweise auf die Todesursache der Spenderin haben die behandelnden Ärzte anscheinend bewusst in den Wind geschlagen. Sie sahen nur die Organe, die sie weiterverpflanzen konnten.
Das hierbei offenbar gewordene technische Menschenbild kann auch Menschen an die Nieren gehen, die nicht imme rnur schwarz sehen. Eine Frage drängt sich unweigerlich auf: Ist der Leichnam nach dem Hirntod nur noch eine Art "Steinbruch" für weiterverwertbare Organe?
Die verborgene Todesursache im diesem Fall sollte die Ärzteschaft mahnen, Tote nicht als Sammelsurium von - möglicherweise noch voll funktionsfähigen - "Ersatzteilen" für andere Maschinen namens Mensch zu betrachten. Wenn Organspenden zur systematischen Leichenfledderei entarten, kann sich der eigentliche Zweck einer posthumen Hilfe für andere ins Gegenteil verkehren. Vielleicht sollte man die Entnahme von Organspenden pro Patient begrenzen?
Aber Menschenwürde zählt heute ja kaum noch etwas, schon gar nach dem Tod. Wenn über würdiges Sterben diskutiert wird, dann beschleicht einen oft die Besorgnis, hier gehe es in erster Linie wieder um ein Geschäft. Und wenn wieder mal aufwendige Werbung für Organspenden zirkuliert, nennt sie niemals die horrend hohen Honorare mancher Operateure. Auch am Transplantationszentrum sollen Jahreseinkünfte in Millionenhöhe keine Seltenheit sein. Nicht zutreffend ist aber das Gerücht, der betreffende Mediziner sänge vor jeder Transplantation "Seid umschlungen, Millionen!"
 
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