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Text von Sonntag, 28. July 2002


Globalisierungskritiker: Die Großalternative fehlt!

Marburg * (sts)
"Fragend gehen wir voran, denn nur so können sich uns neue Denk- und Handlungsräume öffnen". So formulierte Doktor Ulrich Brand von der Universität Kassel am Samstag (27. Juli) im Audimax der Philipps-Universität die Arbeitsaufgabe des Attac-Netzwerkes. Unter dem Titel "Globalisierung ist kein Schicksal - Ist Kapitalismus reformierbar?" beteiligten sich an der Podiumsdiskussion im Rahmen der ATTAC-Sommerakademie außerdem Doktor Birgit Mahnkopf von der Fachhochschule für Politik in Berlin, Professor Doktor Jörg Huffschmid von der Universität Bremen sowie Joachim Bischoff, Mitherausgeber der "Zeitschrift Sozialismus".
In der ersten Diskussionsrunde ging es um die Entwicklung des Kapitalismus von den Anfängen bis in die Gegenwart. Mahnkopf bezeichnete das 20. Jahrhundert als die Epoche des "Bauernsterbens". Die Macht stamme nicht mehr aus dem Eigentum, sondern immer mehr aus immateriellen Rechten. Alles könne zu einer Ware gemacht werden, bis hin zu den eigenen Genen.
Huffschmid hingegen sah die Macht nach wie vor aus den Eigentumsverhältnissen heraus begründet. Im Hinblick auf vermehrte Militärinterventionen und die Abgrenzung der EU nach außen durch verstärkte Polizeikontrollen, sagte er: "Wir leben in einer Phase des Übergangs vom Casinokapitalismus zum Kasernenkapitalismus." Auch Bischoff erklärte: "Die Party is over, die Krise ist da." Aus seiner Sicht befindet sich die Welt in einer Umbruchsituation, verursacht durch die Krise der Politik und der daraus entstandenen Krise der Demokratie.
"Es gibt nicht das große Projekt gegen den Neoliberalismus, sondern die Alltagsverhältnisse müssen geändert werden", brachte es Brand für viele Zuhörer auf den Punkt.
Für Mahnkopf ist eine globale Staatsgewalt unverzichtbar, die das Steuer- und Gesetzgebungsmonopol innehat, die öffentlichen Güter verwaltet und über eine verläßliche Bürokratie Vertrauen schafft. "Der Ausgangspunkt jeder Reform muss der Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse sein. Es darf keine Resignation vor dem Neoliberalismus geben, denn Änderungen sind möglich", postulierte Huffschmid. Bischoff forderte Attac auf, das gesellschafdtliche Gewicht des Netzwerks einzubringen, damit der Erhalt der Gesundheit und das Recht auf Bildung nicht von der Größe des Geldbeutels abhängig werden. Einen wesentlichen Schritt weiter ging Brand in seiner Forderung nach einer Überwindung des Kapitalismus. Seine antikapitalistische Perspektive sieht die Abschaffung der World Trade Organisation (WTO) statt ihrer Reformierung vor.
Mahnkopf, Bischoff und Hufschmid lehnten diesen Vorschlag ab, da er an real existierenden Problemen vorbei in eine Sackgasse führe. Sie forderten einhellig eine Umstrukturierung des Wirtschaftssystems. Mahnkopf verlangte nach einer sozialen Sicherheit, die nicht länger an wirtschaftliches Wachstum gebunden ist: "Die soziale Frage darf nicht länger auf Kosten der ökologischen Frage beantwortet werden." Hufschmid forderte ebenfalls eine "Demokratisierung der Wirtschaft", eine Gleichberechtigung der Entwicklungs- und der Industrieländer in einer Organisation wie dem Internationalen Währungs Fond (IWF). Die abschließenden Fragen und Statements aus Reihen des Publikums waren von Skepsis geprägt. Es wurde sogar der Vorwurf der "Borniertheit" dieser Diskussion aufgrund der rein europäischen Sichtweise laut. Viele Zuhörer wünschten sich einen "internationaleren Blickwinkel".
Die Diskussion führte das Dilemma des Attac-Netzwerkes deutlich vor Augen: Man weiss, was man nicht will, doch leider nicht, was man stattdessen will.


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