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Text von Mittwoch, 15. Mai 2002


Im Visier: VErbandsklage für den Datenschutz?

Marburg * (FJH)
"Das versteht wirklich keine Sau!" Mit diesen Worten kritisierte Dr. Peter Hauck-Scholz am Dienstag (14. Mai) die Paragraphen 13 bis 29 des Hessischen Gesetzes für öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). Auf Einladung der Humanistischen Union (HU) und weiterer Organisationen sprach der Marburger Rechtsanwalt im Hörsaalgebäude über die Rasterfahndung und den Datenschutz.
Gemeinsam mit Kollegen hatte Hauck-Scholz das Verfassungsgerichtsurteil zur Volkszählung 1983 erstritten. Auch die Methode der Rasterfahndung stammt schon aus jenen Tagen. Hauck-Scholz zitierte aus einem Zeitungsartikel seines Mitstreiters Sebastian Kobler. 1884 hatte der Frankfurter Rechtsanwalt die Rasterfahndung mit denselben Argumenten, die sein Marburger Kollege noch heute für richtig hält: Die Polizei verwendet dabei Daten, die für ganz andere Zwecke gesammelt worden sind. Gerade diese Zweckentfremdung von Daten hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1983 aber strikt verboten.
In den Polizeigesetzen aller Bundesländer ist die Rasterfahndung trotzdem verankert. Nach den Terroranschlägen vom 11. September wurde sie auch im Terrorismusbekämpfungsgesetz festgeschrieben. Das Gesetz legt jedoch fest, dass - außer in begrenzten Ausnahmefällen - nur ein Richter diese Maßnahme anordnen kann, wenn eine "gegenwärtige Gefahr" droht.
Diese hatte das Oberlandesgericht nicht erkannt, als es die nach dem 11. September eingeleitete Rasterfahndung in Hessen für rechtswidrig erklärte. Ihren Richterkollegen schrieben die Frankfurter Juristen ins Stammbuch, sie dürften sich bei der Anordnung einer Rasterfahndung nicht "von Emotionen leiten lassen", sondern nur vom Gesetz.
Hauck-Scholz bezweifelte,dass die rechtswidrig erhobenen Daten wirklich gelöscht worden sind, wie es der hessische Innenminister Volker Bouffier angekündigt hatte. Nach Erfahrungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sei es in einigen Behörden Praxis, Datensätze auf andere Datenträger umzukopieren und dann als "gelöscht" zu bezeichnen.
Die Antworten des Hessischen Datenschutzbeauftragten und der Philipps-Universität auf Auskunftsersuchen möglicherweise Betroffener kritisierte Hauck-Scholz als "Lügen". Nach dem Hessischen Datenschutzgesetz ist jede Behörde verpflichtet, jede Datenweitergabe zu protokollieren. Nach dem Paragraphen 29 der HSOG besteht auch ein Auskunftsrecht gegenüber der Polizei. Die Antwortschreiben der Behörden ignorierten entweder die Rechtslage oder gäben einen Rechsverstoß zu.
Die Antwort der Stadt Marburg, dass sie während eines laufenden Verfahrens keine Auskunft geben könne, müsse nach dem Ende des Vorgangs nun noch einmal neu eingeholt werden, schlug der Jurist vor. Die Bürgerinnen und Bürger sollten in jedem Fall auf eine korrekte Antwort bestehen.
Um das Grundrecht auf "Informationelle Selbstbestimmung" wirksam zu schützen, schlug Hauck-Scholz abschließend die Einführung des vErbandsklagerechts beim Datenschutz vor. Dann müssten nicht einzelne Bürgerinnen und Bürger ihr individuelles recht schützen, vielmehr hätten dann qualifizierte Organisationen die Aufgabe eines Wächters über die Bürgerrechte. Dies hält Hauck-Scholz für notwendig: "Die Vision des Erfinders der Rasterfahndung, des ehemaligen BKA-Präsidenten Horst Herold, war eine verbrechensfreie Gesellschaft. Für mich ist das eine Horrorvision."

[16] Politik: marburgnews von Donnerstag, 16. Mai 2002
[17] Politik: marburgnews von Freitag, 17. Mai 2002
[18] Politik: marburgnews von Samstag, 18. Mai 2002


Für Samstag, 18. Mai 2002, wurde in der Rubrik Politik kein Text hinterlegt.



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