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Text von Mittwoch, 27. November 2002


Schweigende Zuckermusen: Spontaner Ersatz

Marburg * (siv/FJH)
"Die für heute Abend geplante Vorstellung fällt leider aus." Mit = diesen Worten wurde das Publikum am Dienstag (27. November) gleich beim Eingang der Waggonhalle empfangen. Ursprünglich war im Rahmen des Internationalen Blinden-Theaterfestivals "Punktspiele" eine Aufführung des Stückes "Stanislaw der Schweiger" vorgesehen, doch waren einige Schauspieler der Hildesheimer Theaterkolchose "Die Zuckermusen" erkrankt.
Abhilfe war aber schnell gefunden. Kurzfristig enschlossen sich die Leiter der - innerhalb der letzten Tage durchgeführten - Theater-Workshops zu einem Improvisationsabend. In weiten Teilen bezog er auch das Publikum mit ein.
Der erste Teil der spontanen Aufführung beinhaltete vor allem pantomimische, akrobatische und tänzerische Einlagen. Trommeln, einem Xylophon, den unverwechselbaren Tönen eines Digeridoos und sphärische Synthesizer-Klänge untermalten das Geschehen auf der Bühne. Diese ungewöhnliche Kombination stellte nicht nur für die zahlreichen blinden und sehbehinderten Besucher eine bemerkenswerte Klangkulisse dar.
Leider hatten sie jedoch kaum etwas von der durchaus beeindruckenden Bühnendarstellung der Schauspieler, die mit Kopf- und Handständen, Purzelbäumen oder gewagten Saltos akrobatisches Können zeigten. Einer der Darsteller vollführte sie - an zwei Seilen befestigt - in der Luft hängend. So feierte das Publikum die Akteure begeistert.
Anschließend wurde eine Tanzeinlage geboten, bei der auch die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Mitmachen aufgefordert waren. Nach und nach trauten sich immer mehr Besucher auf die Bühne. Sie bewegten sich zum Rhythmus der Musiker, der jetzt stark an traditionelle afrikanische Klänge erinnerte.
Der zweite Teil war dann Improvisation pur und beinhaltete spontane Einlagen der Darsteller, bei denen sich das Publikum durch Zurufen den Ort des Geschehens wünschen konnte. So kam es, dass eine Szene in einer Tierhandlung stattfand, in der ein kleiner Junge - gespielt von einem fistelnden Erwachsenen - partout eine Katze haben wollte, diese aber nicht bekam. Was sich etwas albern und profan anhört, hatte jedoch seinen eigenen und durchaus mitreißenden Charme, da die Schauspieler unmittelbar auf die Zurufe aus dem Zuschauerraum reagieren und sich in kürzester Zeit möglichst witzige Dialoge einfallen lassen mussten. So lebten die Szenen vom Humor und der Spontanität der Darsteller, was ausgesprochen komisch war und für zahlreiche Lacher sorgte.
Hier waren sowohl Blinde als auch Sehende gleichermaßen eingebunden, was sich nicht zuletzt durch die begeisterten Reaktionen des gesamten Publikums und einen frenetischen Applaus am Ende der Vorstellung zeigte.
Letztendlich also ein gelungener Abend, der nur durch den stark auf visuelle Eindrücke setzenden ersten Teil etwas getrübt wurde. Bedenkt man jedoch, dass sich die Workshop-Leiter erst eineinhalb Stunden vor Beginn der Aufführung für diese improvisierten Darbietung entschlossen hatten, ist das - angesichts ihrer beeindruckenden Gesamtleistung - leicht zu verschmerzen.[28] Kultur: marburgnews von Donnerstag, 28. November 2002


Für Donnerstag, 28. November 2002, wurde in der Rubrik Kultur kein Text hinterlegt.



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