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Text von Sonntag, 2. Dezember 2007

> s o z i a l e s<
  
 Brot statt Öl: Sammlung im Zeichen Elisabeths 
 Marburg * (atn)
Mit einem festlichen Abend wurde am Samstag (1. Dezember) die 49. Aktion "Brot für die Welt" in der Marburger Stadthalle eröffnet. Unter dem Titel "Gottes Spielregeln für eine gerechte Welt" beschäftigt sie sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit den Problemen kleinbäuerlicher Landwirtschaft.
In diesem Rahmen stellten sich "Brot für die Welt" und regionale Gruppen ab 18 Uhr zunächst im Foyer der Stadthalle vor. Der Festakt begann um 19.30 Uhr im Saal.
Neben zahlreichen Marburger Würdenträgern waren die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Pfarrer José Pilar Cabrera aus Guatemala, Bischof Prof. Dr. Martin Hein aus Kassel und die Direktorin von "Brot für die Welt" Cornelia Füllkrug-Weitzel zu Gast.
Als Gastgeber begrüßte zunächst der Landespfarrer für Diakonie, Dr. Eberhard Schwarz aus Kassel, die gut gefüllte Stadthalle. Er machte darauf aufmerksam, dass schon vor 800 Jahren eine Dame in Marburg gelebt habe, die - modern ausgedrückt - auch nur fair gehandelte Produkte zu sich genommen habe. Zudem betonte Schwarz, dass "Brot für die Welt" vorrangig Bildungsarbeit leiste, um den Menschen globale Zusammenhänge näherzubringen, in die sie selbst auch involviert sind.
Auch Oberbürgermeister Egon Vaupel stellte die Verbindung zu Elisabeth von Thüringen her. Dazu bediente er sich der Unterstützung des griechischen Philosophen Aristoteles, der gesagt haben soll, Glück sei Selbstgenügsamkeit. Selbstgenügsam und für die Rechte der Armen habe Elisabeth gelebt.
Aufgrund ihres 800. Geburtstags wurde die Stadt Marburg auserwählt, die 49. Aktion "Brot für die Welt" zu eröffnen. Ihren nachhaltigen Zielen sollte sich jeder Mensch öffnen, denn schließlich sei "der Anfang schon die Hälfte des Ganzen", schloss der altgriechisch inspirierte Oberbürgermeister.
Nach zwei weiteren Aufrufen zu mehr Solidarität und Verantwortungsbewusstsein von der Hessischen Sozialministerin Silke Lautenschläger und dem Präsidenten des Diakonischen Werks, Klaus-Dieter Kottnik, appellierte auch Wieczorek-Zeul an das Gewissen der Anwesenden und der Deutschen im Allgemeinen. In der etwa 15-minütigen Rede der kürzlichen Jubilarin ging es um "ungerechte" EU-Agrarsubventionen, die Millenniumsziele, Aids, Krieg und Agrar-Kraftstoffe.
Die 65-jährige Bundesministerin betonte, dass man auf Dauer auch "die Reichen" nicht retten könne, wenn man nicht spätestens bis 2015 - so die Millenniumsziele - die Armut drastisch zurückdränge. Dazu würden im Jahr 20 Euro pro Kopf an Investitionen genügen. Andererseits gebe die Welt im Jahr 184 Euro pro Kopf für Rüstung aus.
Der Fokus der 49. Aktion "Brot für die Welt" liegt für Wieczorek-Zeul zurecht auf der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Zwei Drittel der armen weltweit leben auf dem Land, davon die meisten in kleinbäuerlichen Verhältnissen. Nach dem aktuellen Weltentwicklungs-Bericht der Weltbank ist die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft bei der Armutsbekämpfung drei mal so effektiv wie andere Maßnahmen außerhalb der Landwirtschaft. Wieczorek-Zeul betonte hier die Zusammenhänge des Energie-Hungers der westlichen Welt und der landwirtschaftlichen Produktion in den weniger entwickelten Ländern.
Aufgelockert wurde der Festabend im Anschluss durch ein musikalisches Zwischenspiel von Rupert Stamm und Tom Van der Geld. Die beiden Musiker brachten mit ihren Marimbaphonen südamerikanische Klänge in die Stadthalle. Für den nötigen Spaß mit durchaus geistigem und geistlichem Hintergrund sorgte Pfarrerin Dr. Gisela Matthiae als engagierte Konsumentin, die angesichts ihrer mageren Rente überlegt, wie sie sich ihren fairen Einkauf in Zukunft finanzieren soll.
Voller Fakten und sehr beeindruckend war die darauf folgende Rede der Direktorin von "Brot für die Welt". Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel thematisierte zunehmende internationale Abhängigkeiten, die es wahrzunehmen gelte. Zwei Tankfüllungen Bio-Kraftstoff aus Weizen seien beispielsweise der Jahresbedarf eines Menschen an Brot.
In Indonesien weiche gerade der Regenwald Palm-Monokulturen zur Ölproduktion für den westlichen Energiebedarf. Kleinbauern konkurrieren weltweit mit Agro-Großbetrieben um Land, Wasser und andere Ressourcen. Dabei produzieren diese Kleinbauern 80 Prozent der Nahrung weltweit. Gleichzeitig stellen sie 40 Prozent der Armen dieser Erde.
Füllkrug-Weitzel betonte, dass man den Hunger und nicht die Hungernden bekämpfen müsse. Das gehe nicht allein mit einer Förderung der Landwirtschaft in den weniger entwickelten Ländern. Man müsse zudem in der Bundesrepublik das Bewusstsein für globale Zusammenhänge und globale Auswirkungen des eigenen Handelns schärfen.
Ein ähnlicher Grundtenor schwang auch in der Rede von Bischof Prof. Dr. Martin Hein mit. Er verurteilte Parolen wie "Geiz ist geil" und mahnte, sich selbst und sein eigenes Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen.
Für ihn eröffnet die Globalisierung jedoch auch einen Weg in eine neue Ökumene. "Warum sollte es ausgeschlossen sein, dass auch Solidarität ein Merkmal der Globalisierung wird", war sein abschließender Appell.
Nach einem gemeinsam gesungenen Lied und einer weiteren belustigenden Einlage Matthiaes wurde das Publikum zu Reis und Roten Bohnen eingeladen. In dieser lockeren Runde ergaben sich vielfältige Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen. So klang ein sehr engagierter und anregender Abend in einer angenehm entspannten Runde und einer Gemeinschaft gleicher Interessen aus.
 
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