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Text von Sonntag, 6. Mai 2007

> s o z i a l e s<
  
 Leben mit Krebs: Selbsthilfe-Tag in der VHS 
 Marburg * (fjh)
"Der Mensch lernt nicht allein schon durch Einsicht", stellte Gabriele Blettner fest. Die Wiesbadener Sozialpädagogin referierte am Samstag (5. Mai) in der Volkshochschule über ihre gut 25-jährige Erfahrung in der Psycho-Onkologie.
Zu einem "Tag für Erkrankte und Angehörige" hatte die Selbsthilfegruppe Leben mit Krebs eingeladen. In liebevoll dekorierten Räumen servierte sie knapp 40 Interessierten einen ganzen Tag lang Informationen und praktische Anleitungen zum Umgang mit einer Krebs-Erkrankung.
"Irritationen" hält Blettner für die Bedingung einr nachhaltigen Änderung des menschlichen Verhaltens. Eine Krebs-Diagnose rufe in aller Regel eine solche Irritation hervor.
Die Verarbeitung dieser Diagnose erfolgt nach Blettners Erfahrung in vier Stufen:
Zunächst wollen die meisten Betroffenen und viele Angehörige die Erkrankung nicht wahrhaben. Sie glauben an eine Fehldiagnose, eine Verwechslung oder an die Gutartigkeit des Tumors. Diese Zweifel schützen sie nach Blettners Einschätzung vor einem harten und kaum verarbeitbaren Schock.
Allmählich akzeptieren sie dann die Diagnose. Nun aber fragen sie: Warum ich? Warum gerade jetzt?
In der dritten Phase sorgen sie sich um Angehörige, die sie im Falle eines Todes allein zurücklassen müssten oder wegen ihrer Erkrankung nicht mehr angemessen versorgen können. Angehörige fürchten den Verlust ihres geliebten Menschen.
Schließlich stellen sich viele die Frage, was die Krankheit ihnen "sagen will". Sie versuchen, "einen höheren Sinn" in der Erkrankung zu sehen. Erst jetzt kann eine nachhaltige Verhaltensänderung beginnen.
Wichtig sei dabei die individuelle Verarbeitungsweise jedes einzelnen Patienten, betonte Blettner. Kein Fall sei genauso gelagert wie der andere. Jeder Mensch müsse hier seinen eigenen Weg finden und beschreiten.
Ausführlich erörterte sie die Bedeutung sozialer Beziehungen für eine Heilung. Nicht nur die persönlichen Partnerschaften müsse ein Patient aufarbeiten, sondern auch sein Verhältnis zu Kindern, Eltern und zu Freunden.
Gerade gute Freundschaften geben nach ihrer Erfahrung vielen Menschen Halt bei einer Krebs-Erkrankung. Mitunter aber zerbrechen langjährige Freundschaften auch daran, dass sich die Freunde vom Erkrankten zurückziehen.
Auch die Belastung der Angehörigen müsse man in solchen Situationen ernst nehmen, riet die Therapeutin. Häufig aber führe die Furcht vor einer allzu großen Belastung dazu, dass man den Patienten oder Angehörige gewissermaßen "in Watte verpackt". Meistens sei ein offenes Gespräch jedoch viel heilsamer.
Den Betrofffenen und ihren Angehörigen riet Blettner zu "Achtsamkeit". Nur wer seine eigenen Bedürfnisse erkenne, ernst nehme und umzusetzen versuche, könne seine psychische Situation wirklich stabilisieren. Wichtig sei dabei jedoch auch Realismus, damit man keine unerreichbaren Ziele verfolge.
Ein Ton-Workshop mit der Kunstpädagogin Hering und ein Theater-Workshop mit der Schauspielerin Sigrid Giese eröffneten den Anwesenden dann die Möglichkeit, ihre Kreativität einmal unvoreingenommen auszuprobieren. Die beiden Parallel-Gruppen erwiesen sich dabei als eine Art "Kunst-Therapie" für die Betroffenen und ihre Angehörigen.
Den Abschluss des Programms bildete nach einem gesunden Vollwert-Mittagessen ein Entspannungstraining nach dem kalifornischen Arzt Dr. Carl Simonton. Christiane Schmidt von der Selbsthilfegruppe "Leben mit Krebs" und Barbara Städter von der Volkshochschule Marburg leiteten je eine halbstündige Gedanken-Reise der Anwesenden in die eigene Gefühlswelt an.
Entspannt und gut gelaunt, beendeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Tag gegen 17 Uhr mit einer ausgiebigen Kaffee-Tafel. Die - überwiegend weiblichen - Betroffenen und ihre Begleiter erlebten diesen Tag als einen angenehmen und heilsamen Anstoß für das weitere Leben mit Krebs.
 
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