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Text von Donnerstag, 10. Mai 2007

> s o z i a l e s<
  
 Voreilig: Behinderte als Gewebe-Spender 
 Marburg * (atn/pm)
Anlässlich der aktuellen Diskussion um ein Gewebe-Gesetz warnt Robert Antretter davor, nicht einwilligungsfähige Menschen schutzlos als Gewebe-Spender einzubeziehen. Antretter ist Vorsitzender der Bundesvereinigung Lebenshilfefür Menschen mit geistiger Behinderung (BVLH).
"Seit der so genannten Bioethik-Konvention wird über fremdnützige Forschung an Nichteinwilligungsfähigen diskutiert. Deutschland hat aus guten Gründen die Konvention bis heute nicht gezeichnet, weil sie bedrohliche Sonderregelungen für die Zulässigkeit fremdnütziger Eingriffe an einwilligungsunfähigen Menschen enthält", erklärte Antretter.
Die mit dem Gewebe-Gesetz beabsichtigte Änderung des Transplantationsgesetzes gehe sogar darüber hinaus. Der Gesetzentwurf verlange für eine Knochenmark-Spende von dauerhaft nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen nicht einmal mehr das Einverständnis des Spenders. Vielmehr werde auf Regelungen des Betreuungsrechts Bezug genommen, die für gefährliche Heileingriffe gelten und auf eine mögliche gerichtliche Genehmigung zurückgreifen. Das ist nach Antretters Auffassung nicht mit dem Gebot der Freiwilligkeit einer Gewebe-Spende vereinbar.
Höchst bedenklich sei zudem, dass der Entwurf auch darauf verzichte, durch Hürden, die selbst in der Bioethik-Konvention oder im Arzneimittel-Gesetz anerkannt werden, einen gewissen Schutz für nichteinwilligungsfähige Menschen zu gewähren. So fehlt der Vorbehalt, nach dem Eingriffe nur bei minimalen Risiken und Belastungen zuzulassen sind.
"Es besteht damit die Gefahr, dass unter dem Dach des Gewebegesetzes in Deutschland anerkannte ethische Mindeststandards der Bioethik weit unterschritten werden", fürchtet Antretter.
Die Lebenshilfe fordert die Fraktionen des Deutschen Bundestags auf, die bereits in einer Ausschuss-Anhörung am 7. März vorgetragenen Vorschläge der Lebenshilfe aufzugreifen und die Regelungen zur Knochenmark-Entnahme bei einwilligungsunfähigen Volljährigen aus dem Entwurf fallen zu lassen. Nur so könne vermieden werden, dass Deutschland in Widerspruch zu wichtigen ethischen Grundpositionen gerate.
Eine Abschaffung des Schutzes nichteinwilligungsfähiger Erwachsener gleichsam durch die Hintertür widerspreche allen aktuellen Regelungen, die eine Gleichbehandlung von Menschen mit und ohne Behinderung sichern sollen. Aktuell stehe dem die Ende März von der Bundesregierung unterzeichnete UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entgegen.
 
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