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Text von Dienstag, 1. Mai 2007

> p o l i t i k<
  
 Mobilisierung: Tanz um das heilige Blechle 
 Marburg * (fjh)
Die Zahl der Verkehrstoten hat im abgelaufenen Jahr einen historischen Tiefststand erreicht. Seit Beginn der Zählung im Jahr 1953 hat sie noch nie so tief gelegen wie 2006. Können wir nun also beruhigt durchstarten?
5.307 Menschen mussten 2006 bei Verkehrsunfällen auf deutschen Straßen ihr Leben lassen. Pro Tag waren das mehr als 14 Todesfälle!
Kämen 14 Menschen bei einem einzigen Ereignis um, so wären die Medien tagelang voll von Berichten darüber. Seitenweise schrieben die Zeitungen über die Trauer der Angehörigen. Doch an den lautlosen Tod auf der Straße hat sich die Menschheit gewöhnt. Als scheinbar unvermeidliche Kehrseite der automobilen "Freiheit" wird er stillschweigend hingenommen.
5.307 Menschen sind allein 2006 in Deutschland der Raserei um das "heilige Blechle" geopfert worden. Darf man ihren Tod als Menschenopfer betrachten, das dem viel gepriesenen Götzen "Mobilität" gebracht worden ist?
Obwohl die drohende Klima-Katastrophe den Frühling hierzulande schon spürbar aufheizt, setzen sich immer noch Tausende tagtäglich in ihr Auto und vergiften damit das Klima. Bus und Bahn bleiben im Zuge der autonomen Mobilität immer noch auf der Strecke.
Kann man den "Tanz um das goldene Kalb" Auto noch als vernünftig betrachten? Verhalten sich deutsche Politiker klug, wenn sie die geforderte Begrenzung des Schadstoff-Ausstoßes verzögern oder gar verhindern? Ist die Einengung der Besteuerung nach den CO2-Emmissionen nur auf Neuwagen nicht absolut fahrlässig?
Wollte Bundeskanzler Willy Brandt 1969 noch "mehr Demokratie wagen", so spottete man 1998 über Gerhard Schröder, er wolle "mehr Volkswagen". Als "Auto-Kanzler" wurde er bezeichnet, bevor er sich dann ins Gas-Geschäft verabschiedete.
Übrig geblieben ist nach seiner Amtszeit eine mächtige Auto-Lobby, die die Zeichen der Zukunft verschlafen hat: Statt kraftstoffsparender und umweltfreundlicher Modelle setzt sie immer noch auf schädliche Benzin-Schlucker. Geräumig, schnell und sportlich sollen diese Autos made in Germany daherkommen. So bringt die Industrie - im wahrsten Sinne der Worte - ein ganzes Volk zur Raserei.
Angesichts dieser Modell-Politik zeitigen auch die Anstrengungen der Polizei nur einen begrenzten Nutzen. Immer wieder unternehmen die Beamten neue Anläufe zur Begrenzung der Verkehrsunfälle. Alkohol und die Unerfahrenheit junger Fahrer haben sie als die deutlichsten Risiko-Faktoren erkannt. Hier setzen ihre Aktivitäten an. Allein diesen Aktionen sowie einer Verbesserung der "passiven Sicherheit" im Auto ist die jetzt gemeldete Absenkung der Verkehrstoten-Zahl geschuldet.
Doch sie ist immer noch zu hoch. Jeder Tote ist einer zuviel!
Angesichts der Gefahren des Individualverkehrs für das Klima, die Gesundheit und die Menschenleben wäre ein Umsteuern überaus sinnvoll. Umsteigen auf Bus und Bahn wäre zumindestens in größeren Städten kein Problem. Eine Sperrung der Innenstädte für den privaten Autoverkehr sollte deshalb so bald wie möglich erfolgen.
Doch da ist vermutlich wieder die mächtige Auto-Lobby davor. Deswegen brauchen wir in Deutschland mutige Politiker, die der Vernunft Vorrang einräumen vor hinterwäldlerischen Huldigungen an das "Heilige Blechle".
 
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