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Text von Freitag, 6. April 2007

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 Klima der Zensur: Bittere Wahrheit vertuscht 
 Marburg * (fjh)
Als "Wissenschafts-Vandalismus" geißelte der deutsche Umwelt-Staatssekretär Michael Müller das Vorgehen der US-amerikanischen und der chinesischen Delegation im Klima-Rat der Vereinten Nationen (UN). Nach heftigen Auseinandersetzungen haben Wissenschaftler und Politiker aus 130 Ländern am Freitag (6. April) in Brüssel den zweiten Teil des Welt-Klimareports verabschiedet. Ihnen unangenehme Aussagen hatten die amerikanische und die chinesische Delegation zuvor aus diesem Bericht hinauszensiert.
Bereits im Februar war der erste Teil des Klima-Reports in Paris veröffentlicht worden. Er hatte eine durchschnittliche Erwärmung des Erd-Klimas weltweit um sechs Grad für das Ende des Jahrhunderts prognostiziert. In dem rund 1.500 Seiten starken zweiten Teil ging es nun um die konkreten Folgen dieser Erd-Erwärmung für die verschiedenen Regionen. In einem dritten Bericht sollen dann im Mai Handlungskonzepte für die Politik vorgestellt werden.
Doch schon bei der Beschreibung der Folgen des Treibhaus-Effekts zensierten die amerikanische und die chinesische Delegation die Feststellungen der Wissenschaftler. Die US-Vertreter bestanden auf einer Streichung von Wirbelstürmen, Trockenheit und Überschwemmungen als mögliche Konsequenzen für Nordamerika. Ähnlich verhielten sich auch die Chinesen bei Aussagen zu Zentralasien.
Darüber ärgerte sich nicht nur der deutsche Delegationsleiter. Die drohende Klima-Katastrophe ist schließlich eine unabweisbare Tatsache. Die wissenschaftlichen Fakten kann man nach Ansicht des Staatssekretärs im Bundes-Umweltministerium nicht einfach so wegzensieren.
Wenn wirklich eine Eis-Scholle in der Arktis bricht, dann wird Holland nach Müllers Einschätzung nicht mehr zu retten sein. Auch die Alpen-Gletscher sieht der deutsche Umwelt-Staatssekretär bedroht. Der SPD-Politiker rechnet auch in Deutschland mit Dürre-Perioden und großflächigen Überschwemmungen.
Viel gefährlicher noch wirkt sich die Erd-Erwärmung nach Aussage des Reports aber auf die Großstädte in den Flußmündungen Asiens aus. Hier könnten Millionenstädte im Meer versinken, befürchten die Experten.
Am härtesten träfen die Auswirkungen des Treibhaus-Effekts die sogenannten "Entwicklungsländer". Sie besäßen kaum die finanziellen und logistischen Mittel, um großflächige Versteppung oder plötzliche Überschwemmungen wirkumgsvoll zu bekämpfen.
Wenn die Menschheit nicht sofort handelt, dann werden 30 Prozent der Tier- und Pflanzen-Arten aussterben und die Wasserversorgung von Millionen Menschen bedroht sein, warnen die Wissenschaftler. 30 Prozent aller Feuchtgebiete weltweit droht die Austrocknung. Dagegen müsse umgehend etwas unternommen werden.
Politische Antworten auf die Klima-Katastrophe soll der dritte Bericht im Mai formulieren. Sie sollen dann auch beim G8-Gipfel in Heiligendamm besprochen werden. Das hatte die Gastgeberin Angela Merkel bereits angekündigt.
Als Ratspräsidentin der Europäischen Union (EU) hatte die deutsche Bundeskanzlerin eine Vorreiter-Rolle Europas beim Klima-Schutz verkündet. Kommissionspräsident José Manuel Baroso forderte andere Nationen großspurig auf, dem europäischen Beispiel bei der Verringerung des Treibhaus-Gases CO2 zu folgen.
Doch dieses Beispiel besteht bisher nur aus leeren Ankündigungen. Nicht nur in Deutschland ist der CO2-Ausstoß 2006 im Vergleich zum Vorjahr noch gestiegen. In Spanien und Portugal hatten sich die Werte in diesem Zeitraum sogar glatt verdoppelt.
Ein Musterschüler beim Klima-Schutz ist Deutschland beileibe nicht: Standhaft weigert sich die deutsche Automobil-Industrie nach wie vor, ihre umweltschädlichen Luxus-Limousinen durch umweltfreundlichere Modelle zu ersetzen. Sogar die angekündigte Besteuerung der Autos nach Schadstoff-Ausstoß soll nach dem Willen einer Arbeitsgruppe der Bundesregierung nur für Fahrzeuge eingeführt werden, die nach 2008 erstmals zugelassen werden. Bis dahin wollen die deutschen Auto-Konzerne ihre veralteten Dreckschleudern ungestört weiter vermarkten.
Zwar hat sich die Bundesregierung bisher zu dieser Regelung noch nicht endgültig festgelegt, doch scheint sie in diesem Punkt keinen Deut besser zu sein als die US-amerikanische Regierung. Während deren Präsident George W. Bush die unliebsamen Wahrheiten aber einfach wegzensiert, lässt sich die deutsche Bundesregierung trotz ihrer ignoranten Haltung zur schädlichen Auswirkung von Auto-Abgasen sogar noch als "Musterknabe in Sachen Klima-Schutz" öffentlich feiern.
 
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