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Text von Montag, 1. Januar 2007
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 Politik 2006: Völlig losgelöst von der Erde 
 Marburg * (fjh)
Ganz gewiss war 2006 kein friedliches Jahr. Afghanistan, der Irak, Libanon und Palästina fanden ebensowenig Frieden wie der Sudan, seine Nachbarländer Tschad und die Zentralafrikanische Republik, der Kongo, Somalia oder die indonesische Provinz Arche. Aber auch den Inneren Frieden Deutschlands bedroht mehr und mehr eine rücksichtslose Politik des Sozialabbaus und der Unterdrückung von Freiheitsrechten durch die Große Koalition in Berlin.
Auch auf kommunaler Ebene war in Marburg eine problematische Entfremdung der Entscheidungsträger vom Willen der Bevölkerungsmehrheit festzustellen. Seien es die Umpflasterung der Elisabethkirche mit indischen Basalt-Steinen, die Umgestaltung der Ketzerbach ohne Rücksicht auf die alten Bäume dort, die eilige Schließung des Marbacher Europa-Bades, die geplante Umbenennung des Wilhelmsplatzes in "Hanno-Drechsler-Platz" oder die Durchsetzung eines Großbordells in Wehrda - bei all diesen Projekten hat die Parlamentsmehrheit offenkundig gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit entschieden. Dabei hatten die Wahlberechtigten die rot-grüne Koalition im Magistrat bei der Kommunalwahl erst mit einer neuen Mehrheit ausgestattet.
Diese Mehrheit erwies sich im ablaufenden Jahr dann aber leider als wenig durchsetzungsfähig für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Negativer Höhepunkt dieser Problematik war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Multimillionär Dr. Reinfried Pohl. Mit runden sechs Millionen Euro Gewerbesteuern pro Jahr und einigen weiteren steuermindernden Wohltaten für Vereine und die Philipps-Universität hat sich der Gründer und Chef der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) dieses ausgesprochen seltene Privileg "verdient". Nicht einmal die Marburger Linke im Stadtparlament hat dagegen gestimmt!
Die Käuflichkeit oder gar Erpressbarkeit der Politik zeigt sich auch bei den Plänen zur Errichtung der Partikel-Therapie auf den Lahnbergen. Der Rhön-Klinikum AG möchte das Land Hessen das bewaldete Grundstück schenken, das zuvor aber noch gerodet werden soll. Dabei hatte das Land dieser bayerischen Firma erst zum Jahresbeginn das Universitätsklinikum Gießen und Marburg übereignet. Nun sollen dort knapp 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Breite Proteste gab es aber nicht nur gegen die Privatisierung der Kliniken und ihre Auswirkungen, sondern auch gegen die verfassungswidrige Einführung von Studiengebühren an den hessischen Hochschulen. Die Demonstration gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch in Marburg führte sogar dazu, dass dieser Aufmarsch ausblib. Hier zeigte sich Oberbürgermeister Egon Vaupel als aufrechter Demokrat in vorderster Reihe des Protestzuges.
Zudem entschied er sich schließlich doch für den Erhalt des Turnergartens. Damit hat er der historischen Oberstadt wenigstens eine weitere Wunde erspart.
 
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