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Text von Sonntag, 25. März 2007

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 Wittenbrink: Lust feierte Premiere im TaSch 
 Marburg * (mjb)
Wie passen Chanson, Kirchenlied, Rock und Rap musikalisch zusammen? Dieser Frage konnte man in der Revue "Lust" von Franz Wittenbrink nachgehen. Sie feierte am Samstag (24. März) im Theater am Schwanhof Premiere.
Der Liederabend wurde bereits 2006 im St.-Pauli-Theater uraufgeführt. In der Inszenierung des Hessischen Landestheaters führte dessen Intendant Ekkehard Dennewitz Regie.
Schauplatz des musikalischen Spektakels war eine Tabledance-Bar auf der Reeperbahn. Im Mittelpunkt standen aber nicht die Tänzerinnen und der alltägliche Betrieb auf dem Kiez. In der "Schrubber-Revue" drehte sich alles um Menschen, die eigentlich Jenseits der Aufmerksamkeit des Publikums stehen. Die Frauen der Putzkolonne, die am frühen Morgen mit ihrer Arbeit
eginnen, hatten das Wort.
Verkörpert wurden sie von Uta Eisold, Franziska Knetsch, Franziska Endres und Ulrike Knobloch. Singend und tanzend erzählten sie von ihrem Arbeits-Alltag, von ihren Träumen und Ängsten.
Da erfuhr man von der Not, einen Trinker zum Ehemann zu haben und vom alltäglichen Kampf, von einem sehr geringen Gehalt oder sogar von Hartz IV zu überleben. Es ging um den Traum, nicht mehr jeden Tag putzen zu müssen, sondern auch einmal im Rampenlicht zu stehen. Und natürlich ging es um die Suche nach der großen Liebe.
Neben den Frauen trat Thomas Streibig in der Rolle des gealterten Philosophen Paul auf, der in eine der Damen aus der Putzkolonne verliebt war und ständig Gedichte zitierte. Darüber hinaus tauchten in kleineren Nebenrollen ein albanischer Schutzgeld-Erpresser, der Bar-Besitzer und ein Ordnungsbeamter auf. In diesen drei Nebenrollen war David Gerlach zu sehen.
Alle diese höchst unterschiedlichen Charaktere agierten im Rahmen einer Show, die weitgehend ohne Dialoge auskam. Was sie zu sagen hatten, teilten die Protagonisten in sehr verschiedenen Liedern mit.
Die von der Sachs-Band gespielte Musik stand dabei im Mittelpunkt. Kunstlieder standen neben Kompositionen von Robbie Williams oder Tokio Hotel. Schlager wechselten sich mit rockigen Stücken von den Beatles oder Janis Joplin ab.
Manche Lieder wurden mit ihren ursprünglichen Texten vorgetragen. Andere waren neu getextet und den singenden Personen auf den Leib geschrieben. Aus der Gesamtheit der Lieder und Szenen ergaben sich dann nach und nach die Geschichten der beteiligten Personen.
Das Publikum erlebte einen sehr abwechslungsreichen musikalischen Abend. Die Sachs-Band überzeugte durch ihr virtuoses beherrschen der vielen verschiedenen Musik-Stile. Sie verstand es vor allem bei den rockigen Stücken, das Publikum mitzureißen.
Auch die Schauspieler begeisterten mit ihren gesanglichen Fähigkeiten. Besonders die Damen der Putzkolonne meisterten die oft mehrstimmigen Gesangs-Arrangements brillant. Man fragte sich nach jedem Lied, mit welchem Stil und welcher Stimmung einen das Ensemble als nächstes überraschen würde.
Was musikalisch sehr amüsant war, überzeugte dramaturgisch leider aber weniger. Die Absicht, mit Liedern eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, wurde nur bedingt umgesetzt. Die Geschichten und Charaktere blieben recht oberflächlich.
Vieles wurde zwar angesprochen, konnte aber nur durch Musik und Tanz nicht vertieft werden. Zum Beispiel wurde die Problematik Hartz IV zwar mehrfach angesprochen, doch hatte sie für den Verlauf der Geschichte kaum Bedeutung.
Durch die musikalische Vielfalt vermisste man häufig den roten Faden der Geschichte. Im Kontext der Handlung wirkte die Auswahl der Lieder stellenweise etwas willkürlich.
Hervorzuheben ist eine der wenigen nur gesprochenen Szenen, die einen Höhepunkt des abends darstellte. Der Auftritt des Ordnungsbeamten wurde vom Publikum besonders positiv aufgenommen. In satirisch überzeichnender Weise wurde die Regulierungswut der Ordnungsbehörden im Gaststätten-Gewerbe aufs Korn genommen. David Gerlach sprudelte in der Rolle des peniblen Ordnungsbeamten nur so über von mehr oder weniger Sinnvollen Verordnungen und DIN-Normen.
Insgesamt war die nicht ganz ausverkaufte Premiere ein sehr unterhaltsamer, aber qualitativ etwas durchwachsener Abend. Musikalisch war die Revue sehr abwechslungsreich und bot viele Überraschungen. Aus der originellen Idee, in einem Liederabend die Situation des Reinigungspersonals auf dem Kiez zu thematisieren, hätte man allerdings wesentlich mehr machen können.
 
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