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Text von Donnerstag, 12. Oktober 2006

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 Darwin weg: Kreationisten an Hessens Schulen 
 Marburg * (atn/pm)
Gegen die biblische Schöpfungsgeschichte im Biologie-Unterricht wendet sich die Humanistische Union (HU). HU-Landessprecher Franz-Josef Hanke hat die hessische Kultusministerin Karin Wolf am Donnerstag (12. Oktober) aufgefordert, die Qualität der grundlegenden wissenschaftlichen Ausbildung an hessischen Schulen sicherzustellen.
Mit einer gezielten Kampagne hatten Anhänger der Vorstellung vom "Intelligenten Design" an zwei Gießener Schulen ihre religiös-fundamentalistischen Vorstellungen als angeblich "richtige Erklärung" zur Entstehung der Welt verbreitet. Nicht nur an der privaten August-Hermann-Francke-Schule, sondern auch an der staatlichen Liebig-Schule wurde Schülern die kreationistische "Theorie" als gleichwertig zur Evolutionslehre nahegebracht. Dafür ist nach einem Bericht des Fernsehsenders Arte vom Dienstag (19. September) ein nicht zugelassenes "Lehrbuch" verwendet worden.
Befremdet zeigte sich der HU-Landessprecher darüber, dass das Gießener Schulamt diesen fundamentalistischen Eiferern nicht Einhalt geboten hat. Schlimmer noch: Die Aufsichtsbehörde erklärte, die Einbeziehung der biblischen Schöpfungsgeschichte in den Biologie-Unterricht sei "erwünscht". Ähnlich hatte sich zuvor auch die hessische Kultusministerin geäußert.
Mit Nachdruck weist die Humanistische Union Hessen darauf hin, dass das Grundgesetz eine strikte Trennung von Kirche und Staat vorschreibt. Religionsfreiheit bedingt nach Auffassung der HU Hessen auch, dass Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften, Nichtreligiöse und Atheisten in staatlichen Einrichtungen von religiösen Äußerungen verschont bleiben.
"Religionsfreiheit ist auch die Freiheit von Religion", mahnte Hanke. Ausdruck dieser Rechtsauffassung ist beispielsweise das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Kreuze in staatlichen Schulen verboten hat.
Der HU-Landessprecher forderte die Landesregierung auf, sich strikt an diese geltende Rechtslage zu halten und die Bibel aus dem Biologie-Unterricht an staatlichen Schulen zu verbannen.
Belustigt zeigte sich Hanke darüber, dass Anhänger der kreationistischen Ideologie in einer Leserbrief-Kampagne bei mittelhessischen Zeitungen ihre Benennung mit dem Begriff "fundamentalistisch" zurückgewiesen haben. Dabei schießen sie mit ihrer Sicht weit über das Ziel hinaus, dass der Papst und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) festgelegt hatten. Beide Konfessionen erkennen die Evolutionslehre von Charles Darwin als vielfältig belegten Stand der biologischen Wissenschaft an.
"Die Bibel erzählt eine wunderschöne Parabel von der Entstehung der Welt", meinte Hanke. "Wer diesen kunstvollen Text aber wörtlich nimmt und für eine wissenschaftliche Theorie hält, der klammert sich an die Schrift als wörtlich zu befolgende Wahrheitslehre. Genau diese Haltung bezeichnet man gemeinhin als Fundamentalismus."
In Zeiten, wo die Welt von islamistischen Fundamentalisten bedroht wird, hält die HU Hessen ein Einknicken vor jeglicher Art religiösen Eiferertums für gefährlich. Entsetzt äußerte sich die Bürgerrechtsorganisation darüber, dass die Hessische Landesregierung ihre verfassungsmäßigen Pflichten offenbar nicht ernst zu nehmen gedenke: "Fundamentalismus in hessischen Schulen ist ein Verfassungsbruch, der bedrohliche Folgen für das gesellschaftliche Klima im Lande haben kann", warnte Hanke. Zudem sieht er darin einen "Rückfall ins finsterste Mittelalter", wo fortschrittliche Wissenschaftler als Ketzer verfolgt und auf Scheiterhaufen verbrannt wurden: "Wir hätten nie geglaubt, dass Roland Koch und Karin Wolf dermaßen rückständig sind. Aber leider haben sie uns jetzt eines Schlimmeren belehrt!"
 
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