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Text von Freitag, 9. Juni 2006

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 Funde festgehalten: Skelette vor Elisabethkirche 
 Marburg * (sts)
Der Vorplatz der Elisabethkirche sollte eigentlich erst im kommenden Jahr, nach Beendigung der Umgestaltungsarbeiten, in neuem Glanz eine touristische Attraktion darstellen. Die Bauarbeiten haben gerade erst begonnen, doch der Vorplatz ist schon seit Tagen Marburgs Haupt-Attraktion. Grund dafür sind die mittlerweile rund 30 gefundenen Gräber entlang der Umfassungsmauer zur Elisabethstraße.
"Wir vermuten, dass an dieser prominenten Stelle direkt vor dem Hauptportal ausschließlich Ordensbrüder beerdigt wurden", sagte Dr. Christa Meiborg, die Leiterin der archäologischen Denkmalpflege. Der Deutsche Orden hatte im 14. Jahrhundert eine wahre Bastion rund um die Elisabethkirche errichtet.
Die zum Teil freigelegte Umfassungsmauer aus dieser Zeit weist eine Breite von rund 1,20 Metern auf. Sie besaß einen Wehrgang und war wohl zwischen drei und vier Metern hoch.
"Das war ein stark befestigter Ordensbereich, der komplett abgeriegelt war", erklärte Meiborg. Die Gräber seien definitiv nach der Fertigstellung der Elisabethkirche in den Jahren 1280/1281 angelegt worden.
Mit der Reformation seien die Bestattungen um die Kirche herum eingestellt worden. Die jüngsten Gräber könnten also spätestens aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammen. Eine genauere Datierung ist derzeit nicht möglich.
"Aus dieser streng katholischen Zeit sind in der Regel keine Grab-Beigaben zu finden, die uns Aufschluss über den Bestattungs-Zeitpunkt liefern könnten", erläuterte Meiborg. Rückschlüsse aus der Grab-Tiefe zu ziehen, sei ebenfalls schwierig, da die Gräber teilweise nur 30 Zentimeter unter der Oberfläche gefunden worden sind.
Im Laufe der Zeit müsse der Boden mehrfach abgetragen worden sein. Selbst eine kostenintensive Radiocarbon-Analyse könne die Knochen nur auf ein bestimmtes Jahrhundert datieren.
Interessanter für die Archäologen sind denn auch andere Fragen. Nach der vorsichtigen Freilegung der Knochen werden die Skelette und Gräber derzeit genau vermessen, gezeichnet und fotografiert. Durch anschließende anthropologische Untersuchungen sollen etwa das Sterbe-Alter, das Geschlecht, eventuelle Krankheiten, Verletzungen oder Mangelerscheinungen bestimmt werden. Durch die exakte Vermessung der Gebäude-Fundamente sollen zudem die ungenauen, historischen Karten des Elisabethkirchen-Umfelds optimiert werden.
Die Skelette sollen nach ihrem Labor-Aufenthalt wieder in einem Grab vor der Elisabethkirche bestattet werden. Die Mauer-Fundamente werden wieder mit Erde aufgeschüttet.
"Dies ist die sicherste Art, sie zu erhalten. Dauerhaft freigelegt, würden sie zweifellos großen Schaden nehmen", sagte Reinhold Kulle vom städtischen Fachdienst Bauen.
Ab der kommenden Woche werden weitere professionelle Grabungshelfer vor Ort sein, damit die Grabungsarbeiten möglichst schnell beendet werden können. Die Zusammenarbeit mit der Tiefbaufirma erfolge laut Meiborg reibungslos. Da bisher nur vor dem Hauptportal Gräber gefunden worden seien, könnten die Bauarbeiten an anderer Stelle unvermindert weitergehen.
In etwa zwei Wochen will Meiborg mit ihrem Team die Arbeiten an den Gräbern beendet haben. Dann kann die neue Treppe zum Hauptportal errichtet werden. Sollten jedoch weitere Gebäude-Fundamente oder Gräber gefunden werden, sind Verzögerungen nicht ausgeschlossen.
"Wir sind es gewohnt, Hand in Hand mit Baufirmen zu arbeiten. Wir werden im gemeinsamen Dialog Lösungen für jede Situation finden", prognostizierte Meiborg.
Die vielen Schaulustigen stören die Archäologin nicht: "Ich begrüße das Interesse der Menschen an der Archäologie." Die Grabungshelfer müssten zwar den ganzen Tag über viele Fragen beantworten, doch die Arbeiten verzögere dies kaum.
Meiborg rechnet in den nächsten Wochen mit weiteren Funden. Der Untergrund rund um die Elisabethkirche dürfte noch für die eine oder andere Überraschung gut sein.
 
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