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Text von Samstag, 24. Juni 2006

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 Mitmachen: Hengsbach zu Studiengebühren 
 Marburg * (fjh)
"Demokratiefähiger Kapitalismus?" lautete der Titel einer Veranstaltung mit Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach. Am Vormittag hatte der Jesuiten-Pater im Historischen Saal des Rathauses das "Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte" entgegengenommen. Am Nachmittag diskutierte er auf Einladung des Bündnisses gegen Studiengebühren und des Allgemeinen-Studierenden-Ausschusses (AstA) mit Studierenden.
Eine breit angelegte Bewegung gegen die geplante Einführung von Studiengebühren hält Hengsbach für durchaus möglich. Der katholische Sozialethiker sieht in den Gebühren eine weitre Kommerzialisierung des Bildungswesens auf Kosten sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Mit den Gebühren werde ein erster Schritt getan, um später auch die Universitäten an privatwirtschaftlichen Erfordernissen auszurichten.
Welche Inhalte dann gelehrt werden, entschiede sich wohl in erster Linie nach der erwarteten Verwertbarkeit durch die Wirtschaft und der entsprechenden Nachfrage durch Studien-Interessierte. Soziale und ethische Fragestellungen drohten in einem solchen System an den Rand zu geraten oder gänzlich unterzugehen.
Auch müsse man befürchten, dass auf Studiengebühren irgendwann später auch die Erhebung von Schulgeld zumindestens an weiterführenden Schulen folgen könnte.
"Der Unterricht an hessischen Grudn-, Mittel-, Höheren und Hochschulen ist kostenfrei." Diese Festlegung im Artikel 59 der Landesverfassung hält Hengsbach für ein gewichtiges Argument der Studentinnen und Studenten beim Kampf gegen die Gebühren. Zumindestens in seiner Generation werde dieser Verweis auf den geplanten Verfassungsbruch ihnen zahlreiche Verbündete einbringen.Ein breites Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Gruppen hält er in dieser Frage für wichtig. Doch solle man aufpassen, dass Proteste nicht ausfransen und dadurch konturlos werden.
Die derzeitige Kommerzialisierung aller Lebensbereiche sieht der Sozialethiker als Ergebnis eines betriebswirtschaftlichen Blicks vieler Verantwortlicher ohne Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen. Die Erfahrung eienr Studentin, bei den Angehörigen der Betriebswirtschaftlichen Fachrichtungen ernte Kritik an Studiengebühren kaum Zustimmung, erklärte er mit eben diesem "Mikro-Blick". Die Betriebswirte amputierten sich dadurch oft selbst die eigenen Geschäftsgrundlagen. Wer Einnahmen als Ertrag und Löhne als Aufwand betrachte, bedenke nicht, dass die Löhne Voraussetzungen für den Kauf von Gütern und damit für die Einnahmen darstellen.
"Postdemokratische" Strukturen versuchten inzwischen, den Menschen die Vorgaben aus kleinen Entscheidungszirkeln aufzuzwingen, indem sie diese Maßnahmen durch die formalen Strukturen des demokratischen Staates hindurchdrückten. Den Menschen müsse man diese Maßnahmen nur schmackhaft machen und sie auf diese Entscheidungen hin konditionieren, dächten die Befürworter dieser "effizienten" Form des Regierens. Der Staat diene hier nicht mehr den Menschen, sondern die Menschen müssten sich an den Forderungen des Staates ausrichten.
Doch hätten die Bürgerinnen und Bürger durchaus eigene Machtmittel in Händen. Beispielsweise nannte er die Möglichkeit von Produkt-Boykotten. Das tue den betroffenen Firmen sehr weh, wusste er aus eigener Erfahrung. Mit hohem Aufwand versuchten sie, ihr angeschlagenes Image dann wieder aufzupolieren.
Die Wirtschaftsethik habe in den zurückliegenden Jahren eien gute Entwicklugn genommen. Gütesiegel wie "Transfaier", die "Rug-Mark" oder für Bio-Produkte seien ebenso ein Ausweis dieser Debatten wie das zunehmende Interesse an ethischen Investitionen.Die Menschen sollten ihre Möglichkeiten nutzen und sich nicht alles gefallen lassen, was ihnen zugemutet werden soll. "Demonstrationen sind praktizierter Verfassungsschutz", griff Hengsbach zum Schluss eine Formulierung aus der Feierstunde am Vormittag auf. Er ermutigte die Studentinnen und Studenten, sich in ihrem berechtigten Protest nicht beirren zu lassen.
 
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