Text von Dienstag, 14. März 2006
Religionen reden: Karikaturen-Streit im Rathaus | ||||||
Marburg * (anm)
"Zwischen Integration und Provokation." lautete der Titel einer Podiumsdiskussion "Zur Zukunft des muslimisch-christlichen Dialogs im Zeichen des Mohammed-Karikaturen-Streits" am Montag (13. März) im Historischen Saal des Rathauses. Veranstaltet wurde sie vom Katholisch-Theologischen Seminar der Philipps-Universität, den Fachdienst Kultur der Stadt Marburg und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ). Die aufgelaufene Menschenmenge bezeugte deutlich das Interesse am "Karikaturen-Streit". Ulrike Holler vom Hessischen Rundfunk (HR) hatte die Moderation übernommen. Der muslimische Historiker Dr. Kamal Sido war ärgerlich darüber, wie die Politik und die Medien es schafften so viele Muslime weiter gegen den Westen aufzustacheln, obwohl nur wenig Muslime die Karikaturen wirklich gesehen hätten. Er verglich das mit Missbrauch. Sufi-Scheich Bashir Ahmad Dultz hat selbst viele Jahre in islamischen Ländern gelebt. Er bezeichnete den "Karikaturen-Streit" als "die Spitze des Eisberges". Als Beispiel für die weltweiten und langjährigen Kränkungen von Muslimen erwähnte er Tschetschenien. Holler stellte die Frage ob die Karikaturen gerechtfertigt und gedeckt durch die Pressefreiheit seien an den Journalisten und Kriesenberichterstatter Christoph Maria Fröder. Er antwortete: "Formell, ja." Er gab aber zu bedenken, dass es überall auf der Welt Tabus gebe, auch bei uns. Deswegen wundere er sich überhaupt über die Veröffentlichung der Karikaturen. Im Gegenzug möchte er aber nicht, dass solche Sachen künftig verboten werden, obwohl er Bauchschmerzen habe sich für solche Karikaturen einsetzen zu müssen. Die Migrationssoziologin Prof. Dr. Irmgard Haller forderte den Dialog mit den Muslimen. Doch stimmte sie Fröder zu, dass der Kontakt zu Muslimen auch in Deutschland Mangelware sei. Ihrer Meinung nach ist aber genau dieser Kontakt wichtig für den Dialog. Auf diese Weise könne man nachvollziehen von woher der Andere denkt. Haller führte auch Zahlen an, die aus einer Befragung von Schülern nach dem 11. September 20001 stammen. Fast 100 Prozent der islamischen Schüler gaben an, sich in die Ecke gestellt und abgegrenzt zu fühlen. Haller versuchte, das Verhalten der Muslime zu erklären. Sie wies darauf hin, dass sie dauerhaft eine Minderheit seien, die in die "Loser-Position" gedrückt werde. Haller bemängelte auch, dass es in der Arbeitswelt keine private Kommunikation unter Kollegen unterschiedlicher Glaubensrichtungen gebe. Auch Sido forderte einen Dialog der Religionsgemeinschaften. Allerdings sollte dieser nicht mit den Fanatikern geführt werden, denn die Botschaft des Korans sei eine des Friedens.
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