Text von Dienstag, 5. Dezember 2006
Aufs Abstellgleis: Hessen hinten auch beim Verkehr | ||
Marburg * (fjh)
"Verkehrspolitik: Mit Koch aufs Abstellgleis" lautete der Titel der fünften Veranstaltung in der Reihe "Hessen hinten! Sieben Jahre hessische CDU an der Macht - eine kritische Bilanz". Gleich zwei Referenten füllten das Thema am Montag (4. Dezember) im Kulturladen KFZ aus: Über den geplanten Ausbau des rhein-Main-Flughafens sprach Roger Treuting von der entsprechenden Bürgerinitiative in Rüsselsheim. Über die Bahn-Politik referierte der Wiesbadener Journalist Hans-Gerd Öfinger. Zunächst tauchte Treuting tief in die Geschichte des Frankfurter Flughafens ein. 1935 war das Flugfeld vom nationalsozialistischen Terror-Regime gebaut worden. Das sei ein strategisches Projekt im Hinblick auf den geplanten Krieg gewesen, erklärte Treuting. Und so wurden bei den weiteren Arbeiten später auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt. Nach dem Krieg sei der Flughafen dann auch von US-Militärs genutzt worden. Bereits in den 60er Jahren seien Forderungen laut geworden, die beiden Parallel-Bahnen durch eine dritte zu ergänzen. Nach erbitterten Kämpfen hunderttausender wütender Bürgerinnen und Bürger gegen dieses Vorhaben wurde 1984 die umstrittene "Startbahn West" eingeweiht. Damals versprach die hessische Landesregierung, bis 2010 werde es keinen weiteren Ausbau-Bedarf mehr geben. Doch schon 1993 ertönten neuerliche Forderungen nach einer weiteren Landebahn. Die Flughafen-Betreiberin "Fraport" versuchte, die Proteste durch ein "Mediationsverfahren" einzubinden. Als "Beruhigungspille" sei den Anwohnern der Region damals ein Nachtflugverbot versprochen worden, berichtete Treuting. Doch davon sei heute kaum noch die Rede. Nahezu alle Kommunen rund um den Flughafen engagieren sich nach seinem Bericht gegen den Flughafen-Ausbau. Selbst CDU-Bürgermeister stünden hier mit an vorderster Front. Einen Grund dafür sieht der Flughafen-Kritiker im Wertverlust der Häuser in Flughafen-Nähe, in der ständigen Lärm-Belastung für die anwohnerschaft und in nachteiligen Auswirkungen des Airports auf die regionale Infrastruktur. Als weitere Argumente gegen einen Flughafen-Ausbau nannte Treuting die Umwelt- und Klima-Belastung durch den stetig wachsenden Flugverkehr, gesundheitliche Gefahren durch Krankheiten wie die "Flughafen-Malaria" und die Zerstörung der Natur für eine Rodung weiterer Ausbau-Flächen. Nachdem die hessische Landesregierung jetzt den Umzug des Chemiewerks Ticona erkauft hat, sieht Treuting die Proteste an einem Wendepunkt angelangt. Doch die Bürgerinitiativen arbeiteten an weiteren Aktionen, berichtete er. Die Anwesenden forderte er auf, diese Proteste zu unterstützen. Werde der CDU-Ministerpräsident Roland Koch bei der Landtagswahl Anfang 2008 abgewählt, dann werde der Ausbau des Airports zwar kaum gestoppt, aber mit Sicherheit verzögert werden, hofft Treuting. Auf einen solchen Wahl-Ausgang und die politische Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger hofft auch Hans-Gerd Öfinger. Sein Anliegen besteht darin, die sogenannte "Bahn-Privatisierung" zu verhindern. Vom bereits beschlossenen Börsengang der Deutchen Bahn AG (DBAG) erwartet er nur Nachteile für die Bahn-Kundschaft. Schon jetzt werde viel zuwenig in die Infrastruktur und das Personal der Bahn investiert. Stattdessen kaufe die DBAG überall im Ausland Logistik-Unternehmen auf, um sich als "Global Player" zu etablieren. Große Sorgen bereitet Öfinger die Entwicklung des Regionalverkehrs. Zwar werde dieser Verkehr derzeit profitabel abgewickelt, doch gelinge das nur dank staatlicher und kommunaler Subventionierung. Mit dem "Koch-Steinbrück-Papier" hatten Roland Koch und sein damaliger nordrhein-westfälicher Amtskollege und heutiger Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Die Kürzung der sogenannten "Regionalisierungsmittel" für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vorgeschlagen. Nun werden ihre Pläne umgesetzt. Der ÖPNV muss deswegen mit massiven Einschnitten rechnen. Öfinger befürchtet für die Zukunft eine "Rosinen-Pickerei", bei der nur noch lukrative Strecken mit hohem Fahrgastaufkommen bedient werden. Der Nahverkehr in der Fläche bleibe dann wahrscheinlich auf der Strecke. Gerade hier hätte das Land Hessen mit seiner Hessischen Landesbahn eine Möglichkeit, gegenzusteuern, meinte der Journalist. Doch statt dieses Juwel zu nutzen und auszubauen, will die CDU-Landesregierung die Hessische Landesbahn verkaufen. Zum Schluss forderte auch Öfinger die Anwesenden auf, sich dieser Politik zu widersetzen. Sowohl der Verkauf der Hessischen Landesbahn wie vor allem auch die Veräußerung der DBAG müssen seiner Ansicht nach unbedingt verhindert werden, wenn die Menschen künftig noch ein ökologisches Verkehrsmittel zu vertretbaren Bedingungen nutzen wollen. | ||
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