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Text von Dienstag, 21. November 2006

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 Verbrannte Erde: Schuchart zum Schutz der Natur 
 Marburg * (fjh)
"Umweltpolitik: Wirtschaftswachstum statt Störung von Mensch und Natur" lautete der Titel eines Vortrags von Wolfgang Schuchart im Kulturladen KFZ. Der Geschäftsführer der Marburger Kreisgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) redete am Montag (20.November) im Rahmen der Reihe "Hessen hinten! Sieben Jahre hessische CDU an der Macht - eine kritische Bilanz".
Bisher habe er geglaubt, Hessen sei nur in der Umweltpolitik hinten, berichtete Schuchart. Doch die Vielzahl der Politik-Felder, die bei der Veranstaltungsreihe thematisiert werden, habe ihm klar gemacht, dass Hessen anscheinend auch in vielen anderen Politik-Bereichen "hinten" ist.
Seinen Vortrag begann der Umwelt-Experte mit dem Thema Naturschutz. In Hessen stehe derzeit die Verabschiedung einer Novelle des Naturschutz-Gesetzes an. Noch sei nicht endgültig entschieden, wie die veränderten Regelungen aussehen sollten. Doch drohten dem Naturschutz dadurch einige Verschlechterungen.
Landschafts-Schutzgebiete sollten künftig möglicherweise nicht mehr den gleichen Schutz genießen wie früher. Es solle wahrscheinlich demnächst einfacher werden, Planungen in derartige Gebiete hinein umzusetzen.
Der amtliche Naturschutz solle in Hessen einem "Vertrags-Naturschutz" weichen: Haben sich bisher Behörden um die Einhaltung der gesetzlichen Regeln zum Schutze der Natur gekümmert, so will das Land Hessen künftig Verträge mit Landwirten und anderen privaten Beauftragten abschließen. Die Überwachung der so erbrachten Leistungen sieht Schuchart dann aber nicht mehr als gesichert an.
Auch das Klagerecht der Naturschutz-Verbände habe das Land zwischenzeitlich abschaffen oder einschränken wollen. Anscheinend seien diese Überlegungen jetzt aber wieder vom Tisch.
Große Probleme bereitet Schuchart auch das Projekt-Beschleunigungsgesetz des Bundes. Allen voran die hessische Landesregierung unter ihrem Ministerpräsidenten Roland Koch habe dieses Gesetz über den Bundesrat durchgesetzt.
Es sehe eine Verkürzung und "Vereinfachung" von Planungen vor. Die zuständigen Genehmigungsbehörden könnten danach selbst entscheiden, ob sie für ein bestimmtes Projekt ein Anhörungsverfahren durchführen oder nicht. Auch würden die Erklärungsfristen nach der Auslegung von Projekt-Unterlagen auf 14 Tage verkürzt. Angesichts der Unmengen von Material bei größeren Planungs-Vorhaben sei eine genaue Prüfung der ausgelegten Unterlagen - oft mehrere Dutzend dicker Aktenordner - dann kaum noch möglich
Ein weiterer Kritikpunkt Schucharts war die Klima-Politik. Hier werde viel zu wenig getan, beklagte der Umwelt-Experte. Ein Großteil des Problems entstehe durch den Verkehr. Doch eine wesentliche Änderung in der Verkehrspolitik vermisse er auch in Hessen.
Breiten Raum nahm dann der geplante Ausbau des Rhein-Main-Flughafens ein. Schuchart berichtete vom Mediationsverfahren, an dem sich auch die Umwelt-Verbände beteiligt hatten. Dort seien ein Nachtflugverbot und Lärmschutzmaßnahmen vereinbart worden.
Anschließend habe es weitere Gesprächsrunden gegeben, bei denen diese Absprachen plötzlich nicht mehr gelten sollten. Daraufhin habe sich der BUND gemeinsame mit anderen Umwelt-Verbänden aus diesen Gesprächsrunden zurückgezogen.
Beim Flughafen wie auch beim Bau der Autobahn A49 plädiere sein Verband für eine "Null-Variante", erklärte Schuchart. Auf Intervention der Naturschutz-Verbände sei die Trassenplanung für diese Autobahn durch Nord- und Mittelhessen nachträglich noch verändert worden. Grund dafür sei der seltene Kamm-Molch gewesen, dessen Lebensraum die ursprünglich geplante Trasse durchschnitten hätte. Die um wenige hundert Meter verschobene Streckenführung hingegen schütze nicht nur den Molch, sondern auch den hessischen Landes-Etat: Sie sei einige Millionen Euro billiger.
Häufig würden Naturschützer als "Verhinderer" gebrandmarkt, bedauerte Schuchart. Dabei stünden sie für eine intakte Umwelt als notwendige Voraussetzung für die Gesundheit der Menschen ein.
Zwar gebe es hier viele Rückschläge, doch wollte der Referent auch Erfolge aufzeigen. So sei der Flächenverbrauch in Deutschland in den letzten Jahren verringert worden. Sei in den 80er Jahren noch jeden Tag eine Fläche in der Größe von 110 Fußballfeldern versiegelt worden, so seien es heute nur noch 80.
Probleme sah er hier auch beim geplanten Neubau der sogenannten "Partikel-Therapie" auf den Lahnbergen. Dort möchte das Land Hessen ein Stück Wald roden und es dann der Rhön-Klinikum AG als Betreiberin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg schenken. Hier sprach sich Schuchart für eine "Null-Variante" aus.
Die "Entmachtung" der Umweltbeiräte war ein weiteres Thema der anschließenden Diskussion. Beim Regierungspräsidium Gießen (RP) sei der Umweltbeirat gänzlich abgeschafft worden. Auf kommunaler Ebene könne er keine Themen mehr auf die Tagesordnung der Parlamente setzen, ohne dass die Verwaltung zustimme, berichtete eine Vertreterin aus diesem Gremium. Meist zögen Verwaltung und Umweltschützer zwar an einem Strang, doch mitunter erhielten die Beamten der Umwelt-Ämter einen "Maulkorb" von ihren Vorgesetzten.
In seinem fast eineinhalbstündigen Referat streifte Schuchart viele Themen, bei denen "Hessen hinten" sei. Das gelte vor allem seit Amtsantritt des CDU-Umweltministers Wilhelm Dietzel. Unter der CDU habe sich die hessische Umweltpolitik vom bundesweiten Vorreiter zum Nachzügler entwickelt, bedauerte Schuchart. Dabei würden die Gefahren für Mensch und Natur immer drängender!
 
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