Text von Freitag, 17. November 2006
Eins hin, null im Sinn: Moneten-Therapie für Klinik | ||
Marburg * (fjh)
Für die Partikel-Therapie soll auf den Lahnbergen ein neues Gebäude errichtet werden. Dafür soll dort ein Stück Wald gerodet werden. Das dann bebaubare Grundstück möchte das Land Hessen der Rhön-Klinikum AG schenken! Seit dem 1. Januar 2006 betreibt die bayerische Krankenhaus-Gesellschaft das Universitätsklinikum Gießen und Marburg. 112 Millionen Euro hat die Gesellschaft dafür an das Land bezahlt. Als Gegenleistung hat die Rhön-Klinikum AG zahlreiche Liegenschaften in Gießen und Marburg sowie die verschiedenen Kliniken nebst ihrer Einrichtung erhalten. Listete man all diese übereigneten Werte einzeln auf, käme gewiss ein wesentlich höherer Betrag zusammen als die Kaufsumme. Und nun will die Landesregierung dieser Gesellschaft auch noch ein Grundstück schenken! Als hätte sie ihr nicht schon genug Gemeinschaftsvermögen hinterhergeschmissen! Schlimm genug ist allein schon die Tatsache, dass der Wald auf den Lahnbergen gerodet werden soll. Doch neben diesen Frevel an der Natur soll dann auch noch die Verschleuderung von Volksvermögen treten! Begründet hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch sein Geschenk übrigens damit, dass er dadurch die Ansiedlung der Partikel-Therapie in Marburg erreichen wolle. Das hätte er aber viel billiger haben können: Hätte er die Kliniken nicht verkauft, wäre er heute selbst der Entscheidungsträger dort! Stattdessen wirft er dem billig verschleuderten Volksvermögen noch weitere Wohltaten für die Rhön-Klinikum AG hinterher: Die Kaufsumme hat das Land in die neue "Emil-von-Behring-und-Wilhelm-Konrad-Röntgen-Stiftung" zur Förderung der Hochschulmedizin in Marburg und Gießen eingebracht. Dank dieser weitsichtigen Regelung winkt dem Privatisierer schon wieder Kohle aus Wiesbaden! Die "Privatisierung" der Universitätskliniken hat inzwischen ohnehin recht merkwürdige Blüten getrieben: Als der weltberühmte Tenor José Carreras im Landgrafenschloss die Ehrendoktor-Würde der Philipps-Universität erhielt, da hielt auch Gerhard Meder von der Rhön-Klinikum AG in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Marburger Klinikums eine Lobrede. Dabei tat er gerade so, als vergebe seine Firma den Ehrendoktor-Titel! Mancher im Publikum hätte ihn wohl am liebsten vom Redepult weggepfiffen. Denn kaum hatte sein Konzern die Universitätskliniken übernommen, da kündigte er auch schon den Abbau von 10.000 Stellen an. Einige befristete Arbeitsverträge im Marburger Klinikum sind seither nicht mehr verlängert worden. Trotz alledem feiern neoliberale Fanatiker die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen immer noch als Allheilmittel. Die katastrophalen Folgen einer solchen Entscheidung für die Deutsche Bahn AG hat Karl-Dieter Bodack am Montag (13. November) im Hörsaalgebäude der Philipps-Universität eindrucksvoll geschildert. Er verwies auch auf die Festlegung im Grundgesetz, dass Volksvermögen nur zu seinem realen Wert veräußert werden darf. Weder bei der Bahn noch bei den Kliniken kann man das ernsthaft behaupten. Das Schlimmste an der Privatisierung staatlicher Infrastruktur ist aber, dass die Werte der Allgemeinheit endgültig verlorengehen. Die Entscheidung darüber fällen andere, die sich dabei nur an ihrem Gewinn-Interesse orientieren. Will der Staat von den privatisierten Betrieben bestimmte Leistungen erhalten, muss er sie teuer einkaufen. Weitsichtig ist so eine Politik beim besten Willen nicht! Sie schädigt die Beschäftigten der privatisierten Betriebe, ihre "Kunden" oder Nutzer und die künftigen Generationen. Die britische Regierung musste nach einigen Jahren das zuvor verkaufte Schienen- Netz zu einem wesentlich höheren Preis wieder zurückkaufen und mit erheblichen Investitionen wieder instandsetzen, da dessen private Betreiber nur Geld herausgezogen, aber nichts investiert hatten. Ähnlich könnte es dem Bund bald auch mit der Bahn oder dem Land Hessen mit den mittelhessischen Universitätskliniken ergehen. | ||
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