Text von Dienstag, 2. Mai 2006
Tag der Abwesenden: Europa interessiert kaum einen | ||
Marburg * (sts)
Sei es die Beteiligung an Europa-Wahlen, die Diskussion um die Europäische Verfassung oder eine Podiumsdiskussion in Marburg zum Thema "Die Europäische Union, Reformen und Verfassungsvertrag": Die europäischen Bürger scheint das nur peripher zu tangieren. Doch wo liegen die Gründe hierfür? Universitäts-Vizepräsident Dr. Herbert Claas meinte am Montag (8. Mai) im Rathaus vor sechs interessierten Zuhörern, dass Europa wohl für alle Nicht-Anwesenden schon Alltag sei. Prof. Dr. Heinrich Dingeldein, einer der sechs Standhaften, sprach dagegen von anonymen Institutionen in Brüssel und Straßburg und dem Fehlen eines "unstrittigen gemeinsamen Wertes" als Grundproblem der Europäischen Union (EU). Der Stellenwert der Europäischen Verfassung sei zudem völlig übertrieben dargestellt worden. Schließlich besitze sie vor allem einen ausgeprägten Geschäftsordnungscharakter: "Der Verfassungsvertrag ersetzt durch einen Rechtsakt eigentlich nur alle derzeit bestehenden europäischen Verträge", sagte Claas. Im Prinzip sei die Europäische Verfassung also nur eine Zusammenfassung längst existierender Verhältnisse mit einigen wenigen Neuerungen wie der Einrichtung eines europäischen Außenminister-Postens. "Ich finde es nicht tragisch, dass die Verfassung zunächst gescheitert ist, solange in den Mitgliedsstaaten über die gemeinsamen Standards diskutiert wird. Manchmal ist der Weg wichtiger als das Ziel", fand Bürgermeister Dr. Franz Kahle. Eine Ebene, auf der der europäische Gedanke bereits fruchtet, brachte der Europareferent der Philipps-Universität, Christopher Moss, zur Sprache: "Bis 2010 sollen zehn Prozent aller Studierenden mindestens ein Semester an einer ausländischen Hochschule absolvieren. Da sind wir auf einem guten Weg." Sein Amtskollege aus Marburgs Partnerstadt Maribor, Mladen Kraljic, sah es ähnlich: "Ich bekomme viele Anfragen, ob Studienaufenthalte im Ausland nicht noch verlängert werden können." Der Austausch fördere maßgeblich das Zusammenwachsen von unten. Doch noch mehr "brauchen wir die sinnvolle Organisation von oben", forderte Dingeldein. "Die Stärken Europas werden sich auch ohne Verfassung herausbilden", hielt Moss dagegen. Alle Anwesenden behandelten interessante Fragestellungen. Schade ist nur, dass sie kaum jemanden interessiert haben. | ||
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