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Text von Sonntag, 26. März 2006

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 Wahl-Helfer: Jungs Interesse an Afrika 
 Marburg * (fjh)
"Wir fahren in den Kongo!" Was vor gut 30 Jahren für Ingo Insterburg und Co noch phantasievoller Auftakt zu einer Reise in den Kontinent des schwarzen Humors war, das kann für rund 500 deutsche Soldaten bald zum Himmelfahrtskommando werden. Im Mai soll der deutsche Bundestag darüber beschließen, ob die Bundeswehr sich am Kongo-Einsatz der Europäischen Union (EU) beteiligt.
Der EU-Ministerrrat hat die Aktion am Donnerstag (23. März) bereits gebilligt. Nach den - auch von der Bundesregierung abgesegneten - Plänen soll die Einsatzleitung in Potsdam residieren. Deutschland und Frankreich sollen das Kommando über die rund 1.500 Mann starke Truppe übernehmen. Vier monate lang soll sie die Wahlen in der "Demokratischen Republik Kongo" absichern.
Gut 450 Soldaten sollen in der Hauptstadt Kinshasa stationiert werden. Die restlichen 1.000 Leute sollen in Nachbarländern für eventuelle Evakuierungs-Aktionen bereitstehen.
Der Bundeswehrverband hat diese Pläne als "Reine Show" kritisiert. Sein Vorsitzender Bernhard Gertz hat wiederholt davor gewarnt, deutche Soldaten in ein Land zu schicken, das sechsmal so groß sei wie die Budnesrepublik. Der Einsatz sei das Leben deutscher Soldaten nicht wert, erklärte er am samstag (25. März) gegenüber der "Welt am Sonntag".
Auf jeden fall wäre es ein Novum, dass deutsche Politiker sich auf einmal in Afrika engagieren wollen. Jahrzehntelang war der "schwarze Kontinent" in der deutschen Außenpolitik ein "schwarzes Loch". Zuletzt zeigte Bundespräsident Heinrich Lübke ehrliches Interesse an den Menschen dort, was ihn gar zu der Anrede "Meine damen und Herren, liebe Neger!" bewogen hat. Seine - von neugierigem Forscherdrang geprägten - Reisen endeten indes so peinlich, dass sich seither kaum ein deutscher Politiker von rang in ein afrikanisches Land getraut hat.
Nun aber will Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung die Versäumnisse von Jahrzehnten schnell nachholen. In vier Monaten will er den Afrikanern zeigen, was eine deutsche Harke ist. Dem bürgerkriegsgeschüttelten Kongo will Jung zu einer echten demokratischen Wahl verhelfen. Was 17.000 UN-Blauhelme in jahrelangem Einsatz nicht geschafft haben, das sollen deutsche Soldaten mit französischer Unterstützung in vier Monaten bewerkstelligen!
Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler springt Jung zur Seite. Er unterstützt einen Einsatz deutscher Soldaten im Kongo. Vielleicht will der Bundespräsident hinterher auch einmal in Lübkes Fußstapfen treten?
Ohnehin scheint die Bundeswehr derzeit die reinste Wunderwaffe zu sein. Ob Vogelgrippe oder Fußball-Weltmeisterschaft, überall stehen Soldaten ihren Mann und Soldatinnen ihre Frau. Wenn das Grundgesetz heute noch nicht alle möglichen Einsatz-Optionen erlaubt, dann werden unsere demokratischen Politiker - allen voran Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble - schon Wege finden, kreativ damit umzugehen.
"Demokatie" ist neuerdings ohnehin der Lieblings-Artikel der uniformierten Handlungsreisenden. US-amerikanische Experten bieten ihn seit drei Jahren im Irak wie sauer Bier an, doch erhalten sie dafür statt des erhofften Öls nur unverhoffte Sprengstoffladungen.
"Demokratie" verkauft sich zur Zeit nicht gerade gut. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass US-Präsident George W. Bush als ihr glühendster Verfechter allüberall auf der Welt selber daheim in Washington eine immer abgemagertere Variante davon vorführt, die er vor laufenden Fernsehkameras dann vollmundig zu einem wohlgenährten Erfolgsmodell hochstilisiert. Kaum einer mag ihm das angesichts von Guantanamo noch glauben!
Dennoch soll diese "Demokratie" nun auch nach Afrika exportiert werden. Dort möchten die Handlungsreisenden der EU sie wohl gegen Diamanten eintauschen. Vielleicht gibt es ja auch noch ein paar andere Bodenschätze obendrauf.
Wahre Demokratie entsteht aber nur durch Solidarität der Menschen untereinander. Sie muss von ihnen - wie man zur Zeit in Weißrussland beobachten kann- selbst unter härtesten widrigkeiten erkämpft werden.
Solidarität mit den Menschen in Afrika wäre sicherlich etwas sehr Sinnvolles. Doch nach den Erfahrungen mit dem Krieg in Iran mag man kaum glauben, dass es den Politikern in erster Linie um die Menschen gehen könnte.
Doch vielleicht ist das bei Bundesminister Jung ja ganz anders. Schließlich stammt der Mann aus dem Rheingau. Er trinkt - wie man hört - gerne mal ein Gläschen wein. Vielleicht hat er sich beim schoppen im sonnigen Rheingau gedacht, er müsse den schwarzen im Kongo zu Hilfe eilen. Denn erklärtermaßen ist Jung ja auch ein Schwarzer!
 
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