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Text von Sonntag, 19. Februar 2006

> p o l i t i k<
  
 Verletzt oder verhetzt: Karikaturen als Kriegsgrund 
 Marburg * (fjh)
Karikaturen sollen Menschen zum lachen bringen. In letzter Zeit jedoch haben zwölf Karikaturen ganze Völker ins Unglück gestoßen. Über den Propheten Mohammed darf man sich halt nicht lustig machen!
Lust an gewalttätigen Aktionen hingegen scheint es im Fall der dänischen Mohammed-Karikaturen reichlich zu geben. Gewissenlose Scharfmacher haben den Streit immer wieder angeheizt. Und so ist die Gewalt immer weiter eskaliert.
Steine flogen. Botschaften brannten. Polizisten schossen auf wütende Demonstranten. Nun soll ein aufgeputschter mobb auch gezielt andersgläubige Mitmenschen umgebracht haben.
Die Scharfmacher betreiben ihr hasserfülltes Handwerk von den Minaretten arabischer Moscheen. Aber auch Imame in Europa sollen Öl ins Feuer gegossen haben. Da drängt sich der Eindruck auf, manchem seien die Karikaturen gerade recht gekommen, damit er damit sein Feindbild ordentlich in Hass-Parolen umsetzen kann.
Ein Scharfmacher auf der entgegengesetzten Seite war der italienische "Reform-Minister" Roberto Calderoli. Er hat die dänischen Karikaturen für die eigene Profilierung missbraucht. In einem T-Shirt mit den umstrittenen Mohammed-Bildern ist er in der Pose des unbeugsamen Helden im italienischen Staatsfernsehen REI aufgetreten.
Wenig später musste er auf Druck seiner eigenen Partei- und Kabinettskolegen zurücktreten. Ob die Wählerschaft der reaktionären Lega Nord seine Aktion gut gefunden hat, wird sich bei der bevorstehenden italienischen Parlamentswahl noch erweisen.
In der Öffentlichkeit jedenfalls entsteht der Eindruck, es handele sich bei dem sogenannten "Karikaturen-Streit" um eine Auseinandersetzung zwischen Muslimen, die in ihren religiösen Gefühlen verletzt worden sind, und westlich aufgeklärten Europäern, die das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen. Ob das so ist und wie die Vorgänge zu bewerten sind, darüber wollen die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion der Humanistischen Union (HU) am Donnerstag (2. März) im Hörsaal H der Philosophischen Fakultät diskutieren.
Offene Fragen gibt es zu diesem Thema jedenfalls noch genug. Vielleicht steht hinter diesem Streit ja der Versuch, Menschenmassen mit Hilfe der Mohammed-Karikaturen gegen alles Westliche aufzuwiegeln. Der "Kampf der Kulturen" ist in Wirklichkeit wohl eher der Kampf fundamentalistischer Imame um die Köpfe ihrer Gefolgschaft.
Westliche Werte würden ihnen auf Dauer die "Kundschaft" abspenstig machen. Aufgeklärte Geisteshaltungen passen nicht zu fundamentalistischen Predigern. Deswegen bekämpfen sie die Aufklärung in Gestalt all dessen, was ihnen irgendwie Ansatzhebel dafür bietet. Die Karikaturen waren nur ein solcher Hebel.
Frappierenderweise findet in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) derzeit ein ähnlicher "Kampf um die Köpfe" statt. Dort wehren sich fundamentalistiche Christen gegen die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Sie vertreten die Vorstellung, das "intelligente Design" der Natur sei gottgegeben. Und sie fordern, in den Schulen dürften Kinder nur die biblische Schöpfungsgeschichte lernen, nicht aber die Evolutionstheorie.
Die Wahrheit scheint bei den Fundamentalisten beider Religionsrichtungen verpönt zu sein. Toleranz ist bestimmt keine Eigenschaft derartiger Eiferer. Freiheiten tolerieren sie nur, solange es entweder ihre eigenen sind oder die, die Menschen das Recht einräumen, sich ihren "Lehren" anzuschließen.
Ansonsten schlagen einige blindwütig auf alles ein, was nicht ihrer eigenen engstirnigen Weltsicht entspricht. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob jemand Däne ist oder Norweger. Hauptsache, man hat einen Feind, auf den man einschlagen kann!
 
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