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Text von Samstag, 7. Januar 2006

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 Schnell hinfahren: Das Geschäft mit Katastrophen 
 Marburg * (fjh)
Das Geschäft boomt. Katastrophen sind "in". So veranstaltet die Busfirma "Greyline" in New Orleans unter dem Titel "Hurrikan Katrina - die größte Katastrophe Amerikas" eine Stadtrundfahrt der besonderen Art.
Ein Kleinbus fährt zu der Stelle, wo die Dämme während des Wirbelsturms den Fluten nicht mehr gewachsen waren. Die Fahrgäste sehen zerstörte Häuser und Trümmer. Immer noch liegt dort müll in den Straßen herum.
Auch der "Superdom" steht auf dem Programm der Tour. Hierhin hatten sich Zigtausende geflüchtet, die die Stadt nicht rechtzeitig hatten verlassen können. Dramatische Szenen sollen sich hier zugetragen haben.
Das Interesse an dieser Besichtigungsfahrt ist riesig. Die Jungfernfahrt musste gleich dreimal durchgeführt werden. 35 US-Dollar zahlen Erwachsene dafür. Für Kinder kostet der Katastrophen-Kick 28 Dollar. Drei Dollar davon gehen an einen Fonds zur Unterstützung der Flutopfer.
Die "Greyline" ist schließlich nicht völlig pietätlos: Sie erlaubt ihren Fahrgästen nicht, auszusteigen und zu fotografieren. Auch setzt sie nur Kleinbusse ein, um nicht den Eindruck eines Ansturms auf die Opfer des Sturms aufkommen zu lassen.
Als ausschlaggebendes Argument für die Durchfürhung des Katastrophen-Sightseeing nennt die Busgesellschaft übrigens die Tatsache, dass zahlreiche Politiker derartige Besichtigungen gleich nach der Katastrophe unternommen haben. Was den Politikern erlaubt ist, das kann doch wohl in einer Demokratie nicht anderen verboten sein!
Vielleicht nehmen sich nun auch die Marburger Busunternehmen ein Beispiel an der "Greyline". Wie wäre es beispielsweise mit einem Wochenend-Tripp nach Bad Leichenhall? Die Trümmer der einstigen Eishalle mit Schwimmbad würden sicherlich viele Neugierige auch von weit her anlocken.
Dabei ist festzuhalten, dass der Name der Stadt im Berchtesgadener Land schon vor dem Einsturz der Halle am Montag (2. Januar) von Touristen asiatischer Herkunft so ausgesprochen wurde, wie ihn taktvolle Mitmenschen wegen der 15 Todesopfer niemals aussprechen würden!
Doch auch in Bad Reichenhall drängeln sich jetzt die mitfühlenden Politiker. Allen voran inspiziert der bayerische Noch-Ministerpräsident Edmund Stoiber den Unfallort. Er nimmt auch am ökumenischen Gottesdienst für die Opfer der Katastrophe und ihre Angehörigen teil.
Wenigstens das Fernsehen und die Fotoreporter müssen dabei draußen bleiben. Irgendwo scheint es doch noch so etwas wie Respekt vor der Trauer der Menschen um ihre Kinder und ihre Angehörigen zu geben.
Die vielen kleinen Katastrophen und persönlichen Schicksalsschläge erfahren ohnehin nur selten die Anteilnahme , die ihre Opfer häufig bräuchten. Nur wenn eine Vielzahl von Opfern zu beklagen ist und wenn - wie in Bad Reichenhall - ein Großteil davon Kinder und Jugendliche sind, dann trauert die ganze Nation vor den Fernsehschirmen mit.
Dann machen sich auch die zahlreichen Politiker auf den Weg, die ihr Mitgefühl werbewirksam ausdrücken wollen. Die nächste Wahl kommt ganz bestimmt!
Sicherlich würden aber nur boshafte Zeitgenossen wünschen, alle Politiker versammelten sich einmal am Ort einer furchtbaren Katastrophe, bevor das Ereignis eintritt. Nein, so böse kann kein vernünftiger Zeitgenosse sein!
 
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