Text von Samstag, 25. November 2006
Vertonung: Hoff als Chanson-Hoffnung? | ||
Marburg * (jnl)
Ist sie die Zukunft des deutschsprachigen Chansons? Sollte man darin dem Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" glauben? Ein Live-Auftritt ist ein Lackmus-Test. Die Berliner Band "Kitty Hoff & Forêt-Noire" stellte am Dienstag (21. November) im Kulturladen KFZ ihr Debüt-Album "Rauschen" vor. Forêt-Noire ist die französische Übersetzung des Schwarzwalds. So nennt sich die vierköpfige Begleitband, die in Schlips und Anzug kurz nach 20 Uhr die Bühne erklomm. In der Besetzung Kontrabass, Schlagzeug, Gitarre und Keyboard legten sie los mit Swing-Musik. Man fühlte sich in - zum Glück - längst vergangene Zeiten versetzt. Mit dem zweiten Stück übernahm die Hauptperson Kitty Hoff das Steuerruder. Mit sanfter Eleganz sang sie "Glücklich" von einem Tagtraum, in dessen Armen sie ohne Worte glücklich sein könnte. Das gleiche Motiv in den Varianten "ohne Uhr", "ungefragt" und "ohne Umstände" kehrte - über den Abend verteilt - mehrfach in Lie-Ttexten wieder. Ohne es je klar beim Namen zu nennen, war das lyrische Ich fast durchgehend ein Flüchtling vor der Hektik und den Zwängen des Lebens. Passend dazu waren die bevorzugten Spielorte ausgewählt. Wenn es mal nicht die Schwarzwald-Berghütte war, fand man sich wie im CD-Titelstück "Rauschen" am Meer wieder. Außerhalb des Saison-Baderummels ist es herrlich einsam an der Ostsee. Fast immer war es nicht die Großstadt, außer in "Ein kleiner Hund", wo die Musiker ja tatsächlich alltäglich leben. Alle vorgetragenen Chansons waren selbst geschrieben, arrangiert und produziert. In zwei Songs bewies die Sängerin, dass sie auch perfekt englisch und französisch intonieren kann. Kitty Hoff kommt ursprünglich aus einer Musical-Ausbildung und hat sich mit diesem Retro-Jazz-Projekt auf eigene Beine gestellt. Sie konnte, wie sie auf der Bühne andeutete, das "gebuchte" Dasein als Entertainerin auf Luxus-Kreuzfahrten mit Senioren nicht mehr ertragen. Im ungewöhnlichen - bühnenwirksam glitzernden - Wollstoff-Kostüm stand die End-Zwanzigerin souverän lächelnd am Mikrofon, dirigierte mit leise ironischen Blicken ihre Mannen. Auch sie haben alle eine Musikhochschule hinter sich. Der Gitarrist deutete in seinen Soli an, dass er Fan von Jimi Hendrix ist. Und das waren dann im Effekt interessante Kontrapunkte zu dem etwas gleichförmig Gedämpften des Klangbilds insgesamt. Auch der Keyboarder brillierte hin und wieder mit jazzigen Solo-Einlagen. Arrangiert waren die Chansons gelegentlich in so unterschiedlichen Musik-Genres wie Bossa Nova, Csárdás, Lounge-Jazz, das meiste aber in klassischem Swing. Kitty Hoff mit ihrer originellen Retro-Frisur ist gewissermaßen das weibliche Gegenstück zu Swing-Entertainer Götz Alsmann mit seiner 50er-Tolle. Anders als die häufig fälschlich in einem Rutsch mit ihr genannten Berliner Neu-Chansonniers Annett Louisan oder die Band "Nylon" spricht sie in ihren Stücken keine Teenager sondern vornehmlich weibliche Erwachsene an. Kleine Absurditäten und Kuriositäten, zeitlose Momentaufnahmen der Melancholie prägen das Bild. Mit Respekt darf man ihr einräumen, dass sie überwiegend ohne den schlagertypischen Kitsch oder Pathos auskommt. Für die große Hoffnung des deutschsprachigen Chansons muss man sie indessen nicht halten. | ||
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