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Text von Samstag, 18. November 2006

> k u l t u r<
  
 Kabarett-Duo: kabbaratz gastierte im Auflauf 
 Marburg * (jnl)
Hat Gesundheit etwas mit Intelligenz zu tun? Die strittigen Antworten auf diese Frage geben reichlich Stoff für
vergnüglichen Zoff. Das Kabarett-Duo " Kabbaratz"stellte sein Programm "Hauptsache, wir sind alle gesund! Das
Bodybildungsprogramm" am Freitag (17. November) auf der Kleinkunstbühne "Szenario" im Auflauf vor.
Mit ihrem 15. Programm waren die Darmstädter erstmalig in Marburg zu sehen. Der mit rund 70 Zuschauern volle
Kleinkunst-Keller am Steinweg hatte seinen Spaß mit dem verbalen Dauer-Duell der beiden - auch privat liierten -
Kontrahenten Evelyn Wendler und Peter Hoffmann.
Mit dem "Body-Building" genannten Muskel-Posieren hatte das Programm nichts im Sinn. Schon das war ein
Spiel mit Worten. Die beiden gertenschlanken Endvierziger hauten sich gegenseitig genüßlich Meinungen um die
Ohren.
Wendler übernahm dabei die Rolle der überkandidelten Gesundheits-Apostelin. Hoffmann hielt dagegen mit der
Churchill-Pose "No sports - außer Trinken und Rauchen".
Von wegen "Die fetten Jahre sind vorbei", wie der gleichnamige Spielfilm behauptet hat! Schaut man auf die
bewegungsarmen Kinder der Jetzt-Zeit, dann wachsen offensichtlich die fetten Jahre gerade heran
In Hosenrock und mit Rattenschwänzchen als Haartracht, gab Wendler wie eine neue Liesl Karlstadt oft ihrem
Partner Vorlagen für gepfefferte Philippika-Reden. Gegen den Alarmismus um den Body-Mass-Index ließ sich
leicht zu Felde ziehen. Als Anti-Sportler verwies Hoffmann auf die Vielzahl der Sport-Unfälle. Und überhaupt die
Radfahrer-Rüpeleien: So gehe das nicht.
Schließlich sei Bildung und damit alles Vorankommen hierzulande mit Still-Sitzen verknüpft: in der Schule, beim
Lesen, im Theater, im Parlament!
Hoffmann - mit Glatze, Golfschuhen und Riesenhuber-Fliege unter dem Kinn - hatte gegen die Verfechterin einer
gesunden Lebensweise nur scheinbar leichtes Spiel. Im gespielten Ehe-Geplänkel über eine Speisekarte im
Restaurant musste er büßen.
Gescheit herausgearbeitet wurde auch eine andere zutreffende Beobachtung: wenn Männer Sport treiben, dann
geht es meistens (ur ums Gewinnen. Profi-Sportler wurden entlarvt mit der Maxime "höher, schneller, weiter,
dümmer".
Auch die bekannten Fußballer-Sprüche kamen zum Zuge. Bertie Vogts hat gesachgt: "Die Breite in der Spitze ist
dichter geworden." Je nun, auf dem Rasen und unter dem Rasen sind alle Menschen gleich.
Atkins, Brigitte- oder Kohlsuppen-Diäten, sie alle taugen nicht zum Abnehmen. Das ist wissenschaftlich
erwiesen. Die einzigen Diäten, die jemandem etwas nützen, sind die Diäten der Abgeordneten. Daraus leitete
"Kabbaratz" die Pointe ab: "Schlanksein ist gesund, Schlankwerden ist ungesund."
Im schnellen Schlagabtausch zwischen entgegengesetzten Statements wurde zugleich einiges Wissenswertes
über das Gesundheitssystem transportiert. Wer hätte ad hoc gewusst, dass statistisch nur 2% der Gesundheits-
Ausgaben der Krankenkassen für Vorsorge gezahlt werden und nur 6% für den Verwaltungsaufwand?
"Bekommt ihr Hausarzt genug?", fragten die Kabarettisten ins Publikum. Oder sind 282 Euro pro Patient im Jahr
ärmlich im Vergleich zu Handwerker-Rechnungen?
Doch statt nur über menschliche Schwächen Anderer abzulästern, wie es für Comedy typisch ist, waren hier
Kabarettisten mit Impuls zur Aufklärung zugange. Alles in allem bekamen die Zuschauer beim Gastspiel von
"Kabbaratz" allerdings eher Kunst-Handwerk als hohe Kunst zu sehen.
Die schauspielerischen Elemente - Mimik und Gestik - kamen wie auf manchen Freilichtbühnen zu kurz. Die Ehe-
Geplänkel waren bei Henryke von Sydow und Dieter Thomas vom ehemaligen Frankfurter Fronttheater einfach
besser herausgearbeitet. Den aufklärerischen Impetus bedient Volker Pispers vor ausverkauften Stadttheater-
Sälen überzeugender. Andererseits,
dem Szenario-Publikum gefiel es nichtsdestotrotz gut. Der Beifall war freundlich und lautstark, wenn auch nicht
enthusiastisch.
 
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