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Text von Dienstag, 24. Oktober 2006

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 Aldismus erklärt: Lesung zum Literaturtag 
 Marburg * (sts)
Schon mal etwas vom "Aldismus" oder vom "Recktismus" gehört? Diese beiden fiktiven Stilrichtungen der Architektur waren Dreh- und Angelpunkt einer Kurzgeschichte von Prof. Dr. Horst Schwebel mit dem Titel "Das Architektur-Ideal". Gemeinsam mit Antonia Fehrenbach und Walter Renneisen las der emeritierte Theologe und Kunstwissenschaftler der Philipps-Universität am Sonntag (22. Oktober) zum Hessischen Literaturtag der Neuen Literarischen Gesellschaft im Café Vetter. Alle drei Lesungen waren gut besucht.
Die Verpackungsmaterialien und -formen in Aldi-Märkten sind die Grundlagen des "Aldismus". Joghurt-Becher dienen als Wohn-Monaden, ein Bris-Käse fungiert im Stadtmodell als Kirchturm. Grundlage des "Recktismus" sind hingegen Schuhkartons. Als Gegen-Entwurf zum "Aldismus" geht es dem "Recktismus" um klare Strukturen, Geraden und rechte Winkel. Zwei konkurrierende Architektur-Professoren versuchen in Schwebels Erzählung, ihre jeweils präferierte Stilrichtung durchzusetzen.
In "Durchstreicher" nimmt Schwebel den intellektuellen Irrsinn des Kunst-Marktes aufs Korn. Erst als der begabte Maler Frederik anfängt, Bilder durchzustreichen, nimmt seine Karriere einen erfolgreichen Verlauf.
Anfang 2007 soll Schwebels Kurzgeschichten-Band erscheinen. Die drei vorgestellten Erzählungen versprechen eine kurzweilig-unterhaltsame und ironisch-hintergründige Lektüre.
Auch der Roman "Der Lotus-Effekt" von Antonia Fehrenbach wird erst im Herbst 2007 erscheinen. Die promovierte Biologin aus Marburg stellte am Sonntag einige Auszüge aus ihrem Debüt-Roman vor. "Der Lotus-Effekt ist ein Wissenschafts-Roman mit kriminalistischen Zügen", wie k"> Ludwig Legge, der Vorsitzende der Neuen Literarischen Gesellschaft, zur Vorstellung bekundete.
Schauplatz des Geschehens um dunkle Machenschaften im Bereich der Nano-Technologie ist die Stadt Marburg. Die Protagonisten arbeiten auf den Lahnbergen, treffen sich in ihrer Freizeit im "Havanna" und laufen durch den - plötzlich gefährlich erscheinenden - Pilgrimstein bei Nacht. Die allgegenwärtige beschaulich-schläfrige Idylle Marburgs wird jäh zerstört. Gewalt und Angst halten Einzug.
Fehrenbachs Schilderungen sind detailreich und spannend, verraten aber auch ihre beruflichen Wurzeln. Da kann das Licht einer Neon-Leuchte auch schon einmal zucken wie eine gefangene Eidechse oder der Kopf des Mannes schlaff herunterhängen wie der einer Ratte unter Narkose. Solch ungewöhnliche Metaphern sind eine große Bereicherung des Romans.
Den Abschluss des Hessischen Literaturtages gestaltete Walter Renneisen mit "Tierisch satirisch". Das ist eine Auswahl von Fabeln, Kurzgeschichten und Gedichten. Angefangen bei der griechischen Antike und dem berühmten Fabel-Dichter Äsop, sind die tierischen Einflüsse bis in die Gegenwart und den kürzlich verstorbenen Robert Gernhardt erkennbar.
Renneisens engagierte Vortragsweise, gestenreich und stimmgewaltig, machte den Vortrag zu einem kurzweiligen Vergnügen. Die Hintergründigkeiten eines Wilhelm Busch, der vielmehr als ein Kinderbuch-Autor war, und die verwirrende Fantasie eines Christian Morgenstern kamen zu voller Geltung.
Renneisen gelang sogar etwas eigentlich Unmögliches: Er trug Morgensterns Gedicht "Fischers Nachtgesang" vor. Zur Erinnerung: Dieses Gedicht besteht nur aus Zeichen, die in ihrer Anordnung einen Fisch bilden.
 
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