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Text von Montag, 6. Februar 2006

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 Klugheit gegen Gewalt: Goethes Iphigenie im Fürstensaal 
 Marburg * (fjh)
"Schiller war ein großer Fan dieses Stücks", weiß David Gerlach. Johann Wolfgang von Goethes Klassiker "Iphigenie auf Tauris" bringt der Regisseur jetzt wieder auf die Bühne. Gerlachs moderne Inszenierung feiert am Samstag (11. Februar) um 20 Uhr im Fürstensaal des Marburger Landgrafenschlosses. An zwei Terminen bieten die Theater-Macher auch Inszenierungsgespräche zu den in der Theaterwoche gezeigten Stücken an. Am Mittwoch (22. März) um 13 Uhr stehen die Inszenierungen der "Stiefmütter" vom Theaterhaus Ensemble Frankfurt,"Die Kuh Rosmarie" vom kjt am Staatstheater Kassel und "Lechts und rinks" vom Aktionstheater Kassel zur Diskussion. Das zweite Inszenierungsgespräch am Donnerstag (23. März) um 13 Uhr behandelt die Stücke "Kabale und Liebe" vom Hessischen Landestheater Marburg, "Hänsel und Gretel" vom Theater drei Hasen oben in Immichenhain sowie "Nickel, der mit dem Fuchs tanzt".
"Die Handlung des Stücks ist in drei Sätzen erzählt", sagte Gerlach beim Pressegespräch am Montag (6. Februar) im Theater am Schwanhof (TaSch). Iphigenies Bruder Orest macht sich auf die Suche nach seiner Schwester. Ein Orakel sagt, er werde die Lösung beim Standbild der Diana in ihrem Tempel finden. Orest glaubt nun, er müsse dieses Standbild stehlen. Doch tatsächlich findet er dort im Tempel seine Schwester.
Goethe hat seine Bearbeitung des antiken Stoffs erstmals 1779 in einer Prosa-Fassung veröffentlicht. 1786 erschien dann seine endgültige Version mit gereimtem Text. Gewählt hat er dafür den Jambus, der zu jener Zeit in Deutschland völlig unüblich war. Lediglich in frankreich wurde dieses Metrum seinerzeit bereits für Bühnenstücke verwandt.
Uraufgeführt wurde Goethes "Iphigenie" im Jahr 1800 in Weimar und Wien. 1802 inszenierte Goethes Dichterfreund Friedrich von Schiller das Stück in Weimar.
"Ein Erfolg ist Iphigenie nie gewesen", berichtete Gerlach. Vielmehr sei Goethes Text eher ein Literatur-Klassiker geworden. Er sei aber nicht nur fester Bestandteil des Schulunterrichts, sondern werde auch immer wieder am Theater aufgeführt.
Viele Deutschlehrer interpretierten das Stück aber falsch, meinte Gerlach. Sie sähen Iphigenie als "dümmliches Mädchen, das aus dem Bauch heraus entscheidet". Gerlach interpretiert Goethes Text aber anders: "Sie wägt ihre Entscheidungen sehr gründlich ab."
Im Gegensatz zur antiken Vorlage des griechischen Dramatikers Euripides lasse Goethe aber nicht die Götter über das Schicksal der Menschen entscheiden. Der deutsche Dichterfürst legt die Entscheidung direkt in die Hände der Menschen.
Deswegen sei das Stück auch als "Evangelium des Humanismus" bezeichnet worden, berichtete Gerlach. "Es ist eine Art Memorandum: Hier muss etwas geschehen!"
Die Kernbotschaft sieht der Regisseur in der Notwendigkeit, aus der Spirale der Gewalt auszubrechen. Das sei gerade auch heute eine brandaktuelle Thematik, meinte er.
Um diese Auffassung herauszuarbeiten, hat Gerlach das Stück teilweise chorisch inszeniert: Da treten vier Schauspieler der Iphigenie entgegen, die alle den Text des Arcas sprechen. Arcas ist "die linke Hand des Königs". Die vier Arcas-Figuren sollen "die Übermacht der Bürokratie gegenüber dem Einzelnen" verdeutlichen.
In einer anderen Szene treten vier Schauspielerinnen als Iphigenie dem König entgegen. Das wiederum veranschaulicht die Einsamkeit des Mächtigen bei wichtigen Entscheidungen.
Auf die Frage, ob das Publikum durch diese Darstellung nicht vielleicht überfordert werden könnte, entgegnete Gerlach, dass er seine Sichtweise nur so ausdrücken könne. Doch sei auch diese Präsentation durchaus spannend und beeindruckend.
Ob Gerlach das Publikum damit wirklich erreichen kann, mag man bezweifeln. Schön wäre jedoch, wenn seine "Iphigenie" entgegen aller Erfahrung dann doch ein Erfolg würde.
Chancen dafür bestehen durchaus: Immerhin sind die Premiere und die ersten beiden Aufführungen im Februar schon ausverkauft. Karten gibt es erst für die Aufführungen am Samstag (3. März) und Sonntag (4. März) jeweils um 20 Uhr im Fürstensaal. Dann dürfen die Zuschauer 90 Minuten lang geistige Flexibilität beweisen.
 
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