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Text von Montag, 21. November 2005

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 Tor auf für Parkinson: Kaliumkanäle als Auslöser? 
 Marburg * (fjh/pm)
Als Auslöser für das Absterben von dopaminergen Gehirnzellen haben Marburger Forscher die Öffnung spezieller Kaliumionenkanäle identifiziert. Diese Erkenntnis könnte einen Ansatzpunkt für die Behandlung der Parkisonschen Krankheit bieten. Das gab die Philipps-Universität am Montag (21. November) bekannt.
Die Parkinson-Krankheit ist einer der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Allein in Deutschland sind davon über 200.000 Patienten betroffen. Ursache für die Bewegungsstörungen ist ein Mangel des Botenstoffs "Dopamin" im Gehirn. Dieser Mangel wiederum ist eine Folge des Absterbens dopaminproduzierender Nervenzellen.
Allerdings sterben im Verlauf der Krankheit nicht alle dopaminproduzierenden Nervenzellen im Gehirn ab. Unklar war bisher, warum einige gegenüber der Parkinson-Krankheit resistent, direkt benachbarte Nervenzellen dagegen aber hoch empfindlich sind und fast vollständig absterben.
Zwei Arbeitsgruppen aus dem Institut für Normale und Pathologische Physiologie der Philipps-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Birgit Liss und Prof. Dr. Jochen Roeper haben, in Kooperation mit der japanischen Universität Kobe einen ersten Mechanismus entdeckt, der zu diesen wichtigen Unterschieden führt. Ihr Forschungsvorhaben wurde von der Gemeinnützigen Hertiestiftung gefördert.
Im Tiermodell konnten die Marburger Wissenschaftler an Mäusen zeigen, dass die Öffnung von bestimmten Kaliumkanälen in den hochempfindlichen dopaminproduzierenden Nervenzellen eine notwendige Voraussetzung für deren Absterben ist. Diese Kaliumkanäel sind "Tore" in der Zellmembran, durch die Kaliumionen fließen können. Bei ihren resistenten Nachbarn bleiben diese Tore geschlossen.
Öffnen sich die Kanaltore, kann dies das Gehirn zum Beispiel bei Durchblutungsstörungen kurzfristig schützen. Nach den neuen Erkenntnissen von Liss und Roeper hat die Toröffnung aber bei chronisch neurodegenerativen Erkrankungen eine verheerende Wirkung auf empfindliche Neuronen.
So eröffnen die Ergebnisse der Marburger Forscher, die am Sonntag (20. November) als Advance Online Publication des renommierten Fachjournals Nature Neuroscience unter dem Titel "K-ATP channels promote the differential degeneration of dopaminergic midbrain neurons" erschienen sind, neue Wege, wie sich bei der Parkinson-Erkrankung die besonders anfälligen Neuronen möglicherweise vor dem Zelltod schützen lassen. Da die Membrantore für Kaliumionen offensichtlich die Entscheidung über Leben und Tod von dopaminproduzierenden Neuronen ausschlaggebend beeinflussen können, haben die Wissenschaftler auch die Mechanismen genauer untersucht, die ihr Öffnungsverhalten steuern.
Die Ursache für das unterschiedliche Öffnen der Kanäle in empfindlichen und resistenten Neuronen liegt in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien: In den resistenten Neuronen sind mehr so genannte Entkopplerproteine vorhanden. Diese Substanzen halten in den Mitochondrien die Balance zwischen Energieproduktion und Erzeugung von freien Radikalen. Das sind die Faktoren die die Schließung oder Öffnung der Kanäle bewirken.
Entkopplerproteine sind bisher vor allem aus dem braunen Fettgewebe bekannt, wo sie insbesondere bei Säuglingen zur Wärmeerzeugung dienen. Medikamente, die die Öffnung solcher Kanäle hemmen, sind in der Therapie des Altersdiabetes bereits millionenfach im Einsatz. Hier bewirken sie durch Verschließen des Kaliumtores eine erhöhte Insulinausschüttung. Offenbar gelangen die darin enthaltenen Wirkstoffe, so genannte Sulfonylharnstoffe, aber nicht in ausreichender Konzentration ins Gehirn, um dort bei chronischen Erkrankungen Neuronen zu schützen.
"Künftige Medikamente aber, denen es gelingt, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und das Gehirn zu erreichen, könnten die Neuronen schützen, indem sie das Öffnen der K-ATP-Kanäle in dopaminergen Nervenzellen möglichst zellspezifisch verhindern." hofft Liss. "So könnten sie das Fortschreiten des Zelltods bei der Parkinson-Erkrankung verzögern."
Derzeit untersuchen die Marburger Forscher im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) in Kooperation mit Prof. Dr. Wolfgang Oertel von der Klinik für Neurologie sowie Prof. Dr. Thomas Gasser von der Abteilung "Neurologie mit Schwerpunkt neurodegenerative Erkrankungen" an der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen, ob Patienten, die besonders früh an Parkinson erkranken, genetische Variationen des Kaliumkanals besitzen, die dazu führen, dass sich dieser besonders leicht öffnet.
 
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