Text von Samstag, 19. November 2005
Sieg der Information: TV-Journalist berichtete | ||
Marburg * (fjh)
"Wissenschaftsjournalismus - Dolmetscher oder Sittenwächter?" lautete am Freitag (18. November) das Thema des Medienforums von Arbeit und Leben. Für kurzweilige Unterhaltung und spannende Diskussionen sorgte dabei der Wissenschaftsjournalist Dr. Hans-Josef Schöneberger. Mit zehn Ignoranzen hat der Wissenschaftsjournalist nach seiner Erfahrung zu kämpfen: Erst muss er eine ignorante Redaktionsrunde von seinem Themenvorschlag überzeugen. Dann muss er einen Wissenschaftler dazu bewegen, seinen Elfenbeinturm zu verlassen. Dann muss er sich selbst einen Zugang zu der Materie erschließen. Gleichzeitig muss er aber auch darauf achten, dass ihm sein mögliches Fachwissen nicht im Wege steht. Er muss schließlich ein unwissendes Publikum mit seinem Beitrag erreichen. Den Redakteur muss der Filmautor davon überzeugen, dass er ihm die notwendigen Mittel für seine Arbeit finanziert. Dazu bedarf es auch der Unterstützung des Kamera-Teams, das möglicherweise wenig Interesse an dem Thema und seiner Aufgabe zeigt. Gleiches gilt auch für die Cutterin, die das gesamte Filmmaterial zu dem nachherigen Beitrag zusammenschneiden muss. Und spätestens bei der Honorarabrechnung stößt der engagierte Fernseh-Journalist dann auf völlige Ignoranz bei der Vergütung seines Arbeitsaufwands. An fünf Beispielen aus seiner Arbeit zeigte Schöneberger, wie spannend und vielseitig Wissenschaftsjournalismus im Fernsehen sein kann. Themen seiner TV-Beiträge waren der Plötzliche Kindstod, Webcams, paläontologische Funde in einem aufgelassenen Braunkohle-Tagebau, ein kritisches Portrait des AIDS-Forschers Prof. Robert Gallow und das Meer als Lieferenat für neuartige Heilsubstanzen. Ebenso unterschiedlich wie die Themen waren auch Machart und Länge der Sendungen. Ihre Dauer reichte von drei über vier und sechs bis zu elf Minuten. Seine Aufgabe sieht Schöneberger in der Übertragung komplexer Sachverhalte und Zusammenhänge in eine Form, "die auch die Oma aus Niederdorla versteht". Gefodert würden von ihm vor allem Unterhaltung und Service. Als "Sittenwächter" verstehe er sich eher nicht. "Das ist im Fernsehen nicht gewollt", meinte er. "Auch sonst büßt der Journalismus seine Kontrollfunktion immer weiter ein." Er habe jedoch das Berufsethos, Sachverhalte möglichst korrekt zu transportieren. Mehr und mehr zeige auch die Wissenschaft selbst Interesse daran, die Labors und Museen zu verlassen und sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schließlich habe der Bürger ein Recht darauf, zu erfahren, welche Forschung er mit seinen Steuergeldern finanziert. Großen Nachholbedarf hat der promovierte Biologe bei der Berichterstattung über Naturheilverfahren ausgemacht. Hierüber werde wesentlich weniger berichtet als über die klassische Schulmedizin. Hier zeige sich, dass die Berichterstattung vielfach interessengeleitet und -gesteuert sei. Schöneberger, der regelmäßig als Nachrichtensprecher in der "Länderzeit" des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zu sehen ist, bedauerte den allgemeinen Trend in Hörfunk und Fernsehen zu immer weniger Tiefe. Manche Redakteure hielten ihr Publikum schlicht für dumm. Das aber ist nach Schönebergers Überzeugung ein riesiger Irrtum. | ||
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