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Text von Mittwoch, 8. Juni 2005

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 Besiegte Viren: Neuartiger Impfstoff gegen Influenza 
 Marburg * (fjh/pm)
Eine neue Methode zur Herstellung eines Lebend-Impfstoffs gegen den Influenza-Virenstamm WSN33 haben Forscher des Instituts für Virologie der Philipps-Universität entwickelt. Das gab die Pressestelle der Marburger Universität am Mittwoch (8. Juni) bekannt.
der neue Impfstoff setzt an einem Infektionsmechanismus an, den alle Influenza-A-Virenstämme gleichermaßen besitzen. Dabei wird das Virusoberflächen-Protein Hämagglutinin "gespalten". Daher kann es - so die Erwartung - auch gegen alle Viren dieses Typs eingesetzt werden. Versuche an Mäusen zeigten, dass der neue Impfstoff vollständigen Schutz gegen eine Infektion bietet.
Im britischen Fachjournal "Nature Medicine" hat Dr. Jürgen Stech gemeinsam mit Institutsdirektor Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk seine Ergebnisse nun veröffentlicht. Unter dem Titel "A new approach to an influenza live vaccine: modification of the cleavage site of hemagglutinin" sind sie als Advance Online Publication am 29. Mai 2005 erschienen. Zu den Autoren gehören auch Dr. Holger Garn und Doktorand Michael Wegmann vom Institut für Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik der Philipps-Universität sowie Dr. Ralf Wagner. Der ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiter hat mittlerweile ans Paul-Ehrlich-Institut in langen gewechselt.
Das Protein "Hämagglutinin" sitzt auf der Oberfläche des Virus. Seine "Spaltstelle" ist zentral für den Prozess der Infektion einer Wirtszelle: Wird sie gespalten, kommt es zu einer Strukturveränderung des Proteins. Das Hämagglutinin "faltet" sich und die Hülle des Virus verschmilzt, "fusioniert", mit einer zellulären Membran. Erst jetzt kann das Virus sein genetisches Material in die Wirtszelle einbringen.
Auslöser für den Prozess der Faltung sind bestimmte Enzyme, die im Wirtsorganismus selbst vorliegen. Sie werden "Proteasen" genannt.
"Die Spaltstelle haben wir nun genetisch so modifiziert, dass sie nur noch von einer ganz bestimmten Protease, nämlich der Elastase, gespalten werden kann", erklärte Stech. Die Elastase wiederum ist im lebenden Organismus nur in begrenztem Maße vorhanden. "Dies hat den gewünschten Effekt, dass die Replikation der Virusmutante spätestens nach einigen wenigen Zyklen endet, das Immunsystem zu diesem Zeitpunkt aber bereits zur Bildung von Antikörpern und Killerzellen stimuliert wurde."
In Zellkulturen hingegen lässt sich die Mutante, die Stech auf den Namen WSN-E getauft hat, ebenso gut in großer Menge züchten wie das infektiöse "Original-Virus" WSNwt. So kann sie als Basis für einen Impfstoff dienen.
Weil die Membranfusion, die auf die Spaltung des Hämagglutinins folgt, ein universeller Mechanismus ist, den alle Influenza-A-Virenstämme für die Infektion einer Wirtszelle benutzen, sind die Ergebnisse der Marburger Forscher voraussichtlich auch auf andere Stämme übertragbar.
Influenza ist allgemein als "Grippe" bekannt. Sie ist eine - durch Viren ausgelöste - Atemwegs-Infektion. Sie kann zu schweren Erkrankungen mit gefährlichen Komplikationen führen und ist nicht mit den harmloseren "grippalen Infekten" identisch, die in der Bevölkerung oft ebenfalls als "Grippe" bezeichnet werden.
Speziell das Influenza-A-Virus führte bereits zu Pandemien wie der "Spanischen Grippe" von 1918/1919, der weltweit zwanzig bis fünfzig Millionen Menschen erlagen, darunter rund 100.000 in Deutschland. Die "Asiatische Grippe" von 1957/1958 forderte rund eine Million Todesopfer. Die "Hongkong-Grippe" von 1968/1969 tötete mehr als 800.000 Menschen.
Mit großem Erfolg haben die Marburger Virologen ihren neuen Lebend-Impfstoff bereits an Mäusen getestet. Ab einer bestimmten Dosierung überlebten alle Tiere der infizierten Versuchsgruppe. Bei der höchsten Dosis wiesen die Mäuse nicht einmal mehr Krankheitssymptome auf. Die infizierten und noch im Wachstum befindlichen Jungmäuse legten sogar weiter an Gewicht zu.
Auf dem Weg zur Anwendung am Menschen sind nun zunächst Experimente mit Frettchen geplant, deren biologische Struktur der des Menschen ähnlicher ist und die sehr empfindlich auf das Influenza-Virus reagieren.
 
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