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Text von Mittwoch, 2. März 2005

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 Das dicke Ende: BMBF fördert Nachwuchs-Forscher 
 Marburg * (fjh/pm)
Eine interdisziplinäre Nachwuchs-Gruppe erforscht psychosoziale, ethische und rechtliche Implikationen molekulargenetischer Erkenntnisse zur "Adipositas". Mit diesem Wort bezeichnen Mediziner die extreme Form des Übergewichts. In dramatischer Weise hat sich dieses Problem besonders in den westlichen Industrienationen verbreitet. Aber auch weltweit hat sich die "Adipositas" zu einem ernsten Gesundheitsproblem entwickelt.
Der Erforschung dieses Problems widmen sich seit Beginn des Jahres junge Nachwuchs-Forscher der Philipps-Universität. Die Wissenschaftler aus den Disziplinen Psychologie, Evangelische Theologie/Bioethik, Medizin, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften arbeiten dabei unter Leitung von Dr. Anja Hilbert in bisher einmaliger Weise
zusammen.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts "Psychosoziale, ethische und rechtliche Konsequenzen genetischer Befunde bei Adipositas" werden sie gemeinsam mit Prof. Dr. Johannes Hebebrand von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Duisburg-Essen die vielfältigen Implikationen molekulargenetischer Erkenntnisse zur Adipositas untersuchen. Hebebrand ist in der Erforschung molekulargenetischer Aspekte der "Adipositas" führend .
Die beiden Nachwuchs-Forscher aus der Psychologie und der Evangelischen Theologie werden bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit von Hilfskräften und Diplomanden unterstützt. Außerdem soll die Gruppe im Laufe ihrer Arbeit schrittweise erweitert werden.
Das zunächst auf fünf Jahre angelegte Projekt steht im Rahmen eines BMBF-Förderprogramms für Forschung über ethische, rechtliche und soziale Aspekte (Elsa) der modernen Lebenswissenschaften und der Biotechnologie. Es wird derzeit mit rund vier Millionen Euro jährlich unterstützt.
"Um das Adipositas-Problem zu lösen, müssen unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen eng zusammenarbeiten", ist Prof. Dr. Winfried Rief vom Fachbereich Psychologie überzeugt. "In Marburg hat sich bereits seit 2001 mit der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Gesundheitswesen ein gut funktionierendes Netzwerk von Wissenschaftlern etabliert, das sich auch mit den verschiedenen Aspekten der Adipositas befasst. Was sich auf diese Weise bewährt hat, wollen wir nun dem wissenschaftlichen Nachwuchs ermöglichen: die innovative und vielschichtige Erforschung eines der drängendsten Probleme unserer Zeit im Gesundheitsbereich."
Wie die jungen Wissenschaftler ihr Projekt angehen wollen, erläutert Hilbert: "Wir werden zunächst gesellschaftliche Einstellungen gegenüber Adipösen daraufhin untersuchen, inwieweit das Wissen um eine mögliche genetische Disposition für Adipositas die soziale Diskriminierung adipöser Menschen reduzieren könnte."
Parallel dazu werden ethische Gesichtspunkte in den Blick genommen: "Die molekulare Medizin eröffnet diagnostische und präventive Möglichkeiten, die in stärkerem Maße die Eigenverantwortung der Betroffenen beanspruchen. Zugleich können genetische Erkenntnisse dazu beitragen, dass gesellschaftliche Schuldzuweisungen an und Diskriminierungen von Betroffenen hinterfragt werden. Die möglichen Veränderungen unseres Verständnisses von Krankheit und Gesundheit sind in jedem Falle von hoher ethischer Bedeutsamkeit", meinte Prof. Dr. Peter Dabrock vom Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität.
In späteren Projektphasen werden zudem versicherungs- und arbeitsrechtliche Konsequenzen sowie gesundheitsökonomische Perspektiven untersucht. Nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind in Deutschland mehr als ein Drittel der Erwachsenen übergewichtig. Weitere 12,9 Prozent der Bevölkerung können als adipös gelten. Zudem leiden rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen an Übergewicht oder "Adipositas" . Schon seit Jahrzehnten lässt sich eine starke Zunahme der Zahl der Betroffenen feststellen.
Übergewicht erhöht das Risiko für eine Vielzahl möglicher Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und der Gelenke sowie für Schlaganfall und Diabetes mellitus Typ 2, aber auch für verschiedene Krebs-Erkrankungen. Häufig sind übergewichtige Menschen zudem sozialer Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt. Oft wird angenommen, bergewicht lasse sich mit entsprechendem Willen reduzieren.
Die Ursachen von Übergewicht und "Adipositas" sind allerdings vielfältig und können von den Betroffenen keineswegs immer beeinflusst werden. Denn neben Bewegungsmangel, Essgewohnheiten und verschiedenen psychosozialen Einflüssen sind auch genetische Faktoren für "Adipositas" verantwortlich, deren Erforschung aber noch am Anfang steht.
Um die Studierenden der beteiligten Fachbereiche für die Thematik zu sensibilisieren, werden die Nachwuchs-Forscher auch in der Lehre aktiv werden. In öffentlichen Informationsveranstaltungen könnten außerdem Betroffene und Angehörige von den Erkenntnissen der Nachwwuchs-Wissenschaftler profitieren.
 
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