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Text von Freitag, 28. Oktober 2005

> s o z i a l e s<
  
 Mit 66 Jahren: Aktiv oder arm im Alter 
 Marburg * (fjh)
"Heulen und Zähneklappern" hat Hessens Ministerpräsident Roland Koch angekündigt. Jetzt diskutieren CDU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen in Berlin auch über eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre.
2007 oder 2008 könnte diese Regelung auf den Weg gebracht weden, erklärte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Ab 2011 könnte sie dann stufenweise in Kraft treten.
Eine Beschäftigungsgarantie für ältere Arbeitnehmer hat daraufhin der Sozialverband VDK gefordert. Verbandspräsident Walter Hirlinger hat die Wirtschaft zu einer freiwilligen Beschäftigung der Betroffenen aufgerufen. Sonst müsse die Regierung entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Hirlinger scheint die wahre Lage auf dem Arbeitsmarkt trotz knapp 4,7 Millionen registrierter Erwerbsloser immer noch nicht verstanden zu haben. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist einfach nicht genug Beschäftigung für alle da. Die 65- und 66-jährigen könnten da nur jüngere in die Erwerbslosigkeit abdrängen.
Müntefering war da schon ehrlicher, als er vom Alter für den "Bezug der vollen Rente" sprach. Tatsächlich ist die jetzt angekündigte Maßnahme real nämlich nichts anderes als eine Rentenkürzung durch die Hintertür.
Nach mehreren Nullrunden, einer Besteuerung der Altersbezüge und stärkeren Belastungen durch Renten- und Pflegeversicherung sowie durch Praxisgebühr, Medikamenten-Zuzahlung und höhere Preise käme damit eine weitere Absenkung der Real-Renten auf die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik zu.
"Die Renten sind sicher", wiederholte in den späten 80er und frühen 90er Jahren gebetsmühlenartig der damalige Sozialminister Norbert Blüm. Heute wissen wir, dass sie sicher eher niedrig sein werden.
So fordern alle Politiker, Versicherungsagenten und Vermögensberater die Menschen zur "privaten Vorsorge" auf. Doch wer kann sich die "Riester-Rente" und andere Rücklagen angesichts sinkender Real-Löhne und steigender Ausgaben noch leisten? Wie sollen Erwerbslose von 345 Euro Arbeitslosengeld II (ALG II) noch Rücklagen bilden?
Abgesehen davon würden sie ihnen gleich beim nächsten Antrag wieder weggenommen werden. Wer Vorsorge für schlechtere Zeiten trifft, der steht nach der derzeitigen Rechtslage ohnehin schlechter da als jeder Hallotri, der sich auf die staatliche Fürsorge verlässt.
Steigende Altersarmut ist die logische Folge dieser Politik. Sie ist weder sozial noch zukunftsorientiert.
Sicherlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass Menschen auch nach ihrem 65igsten Geburtstag weiter arbeiten, wenn sie es wollen. Doch ereichen tatsächlich nur weniger als die Hälfte der Beschäftigten heute die gesetzliche Altersgrenze. Es wäre unrealistisch, dass das bei einer Erhöhung auf 67 Jahre anders würde.
Der Respekt vor dem Alter gebietet auch die Bereitschaft der Gesellschaft, den Menschen einen würdevollen Lebensabend zu sichern. Wer jahrzehntelang hart gearbeitet hat, der darf sein Alter nicht in Armut fristen!
Arm sind sicherlich diejenigen, die die Staatskassen mit solch armeseligen Konzepten sanieren wollen. Aber immerhin kursieren jetzt auch schon Gerüchte, bei den Koalitionsverhandlungen werde auch über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes gesprochen.
 
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