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Text von Sonntag, 2. Oktober 2005

> s o z i a l e s<
  
 Anhänglich: Stalker terrorisieren meist Frauen 
 Marburg * (fjh)
"Die meisten kommen viel zu spät", klagt Robert Steiner. Für den "Weißen Ring" betreut der pensionierte Kriminalhauptkommissar Stalking-Opfer. Etwa vier Fälle werden der Opferhilfe-Organisation in Marburg jedes Jahr angetragen.
Das fortwährende Auflauern, Anrufen oder andauernde Belästigungen möchte die Bundesregierung mit bis zu drei Jahren Haft bestrafen. Eingebracht hatte die Gesetzesinitiative gegen "Stalking" ursprünglich die hessische Landesregierung. Ihr geht der Beschluss des Bundeskabinetts von Mittwoch (10. August) nicht weit genug. Dennoch sind sich die Experten einig: Gegen "Stalking" muss konsequent vorgegangen werden.
Der weitaus größte Teil der Opfer von Stalking sind Frauen. Männliche Stalking-Opfer hat Steiner bisher noch nicht kennengelernt.
Oft warten die Betroffenen monatelang, bis sie sich schließlich an die Polizei wenden. Dabei verfügen die Strafverfolgungsbehörden mit dem "Gewaltschutzgesetz" schon seit dem Jahr 2002 über ein Instrument, das Belästigungen wirksam verhindern kann. Notwendig ist dafür allerdings eine gerichtliche Verfügung, die dem Täter den Aufenthalt in bestimmten Bereichen oder die Kontaktaufnahme zu bestimmten Personen verbietet.
Für die Opfer ist die Belästigung meistens unerträglich. Systematischer Telefon-Terror, nächtliche Besuche vor der Haustür oder tagsüber am Arbeitsplatz gehören ebenso zum Repertoire von Stalkern wie die aufdringliche Beschattung ihres Opfers.
Ein Unrechtsbewusstsein haben die meisten Stalker dabei nicht. Für sie ist das Opfer schuld, weil es beispielsweise eine Beziehung zu ihnen beendet oder von vornherein verweigert hat.
Für das Opfer kann diese Belästigung dramatische Folgen haben. So berichtet Steiner von einem Fall, in dem ein Mann seine "Auserwählte" häufig an ihrem Arbeitsplatz aufgesucht hat. Schließlich verlor die Frau ihren Job als Technische Zeichnerin, weil ihr Arbeitgeber diese Zustände nicht mehr dulden wollte.
"Der Typ verwendet total viel Energie, um mir hinterher zu spionieren", berichtet Annette K. von ihrem Stalker. "Er scheint den ganzen Tag nichts anderes zu tun!"
Einen besonders extremen Fall der nachträglichen Aufarbeitung einer gescheiterten Beziehung hatte das Amtsgericht Marburg am Montag (25. Juli) zu verhandeln. Der 39-jährige Täter flüchtete jedoch, als er Fernsehkameras vor dem Gerichtssaal sah. Die Öffentlichkeit war ihm zuvor allerdings nicht peinlich gewesen: Porno-Aufnahmen seiner ehemaligen Freundin hatte der Mann mit voller Namensnennung, Anschrift, Telefonnummer und e-Mail-Adresse der Frau über eine Tauschbörse im Internet feilgeboten. Sie verlangt neben seiner Bestrafung nun Schadensersatz oder Schmerzensgeld.
In solchen Fällen kann das Gericht den Schaden wenigstens mit Geld lindern. Moralische Hilfe hingegen können Opfer eher anderswo erwarten: Sechs ehrenamtliche Helfer sind beim "Weißen Ring" im Landkreis Marburg-Biedenkopf aktiv. Zwei pensionierte Polizzeibeamte, zwei Lehrerinnen und zwei Unternehmerinnen betreuen Menschen, die sich als Opfer von Straftaten an die Organisation gewandt haben. Den größten Teil stellen dabei Frauen, die einer Vergewaltigung zum Opfer gefallen sind. Etwa 20 Frauen wenden sich jedes Jahr wegen derartiger Erfahrungen an den "Weißen Ring".
Ihnen kann die Organisation nicht nur moralisch helfen. Mehr als 1,3 Millionen Euro schüttet der "Weiße Ring" bundesweit im Jahr an Opfer von Straftaten aus. Dieses Geld soll ihnen helfen, die Folgen besser zu bewältigen.
"Während meiner aktiven Zeit im Polizeidienst musste ich Straftäter verfolgen. Jetzt kann ich mich um die Opfer kümmern", begründet Heinz-Willi Stremme sein ehrenamtliches Engagement beim "Weißen Ring". Der pensionierte Kriminalkommissar sieht in dieser Tätigkeit eine konsequente Fortführung seiner früheren Arbeit. Doch jetzt habe er deutlich größere Möglichkeiten für eine zielgerichtete Hilfe.
Gerade in Stalking-Opfer kann sich Stremme gut einfühlen. Als junger Polizist war er selbst Opfer systematischer Drohungen eines Straftäters geworden, den er zur Strecke gebracht hatte. Der überführte Wilderer beobachtete tagelang sein Haus und beschattete ihn fortwährend. Als Stremme ihn schließlich zur Rede stellte, gab der Mann zu, er habe die Entführung von Familienangehörigen des Kriminalbeamten geplant.
"So etwas lässt einen nicht kalt", weiß Stremme. Gerade deswegen ist es ihm ein Anliegen, den Opfern von Straftaten beizustehen.
 
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