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Text von Mittwoch, 9. März 2005

> s o z i a l e s<
  
 Hartz aber heftig: Kreis zog Zwischenbilanz 
 Marburg * (fjh)
"Da wird viel diskutiert ohne großen Sach- und Fachverstand", klagte Robert Fischbach. Der Landrat und sein Stellvertreter Dr. Karsten McGovern bezogen am Mittwoch (9. März) im Kreishaus Stellung zum Stand der Umsetzung von Hartz IV im Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Seit dem 1. Januar ist der Kreis zuständig für die Langzeit-Arbeitslosen in seinem Gebiet. Gerechnet hatte man mit 6.500 Bezieherinnen und Beziehern des Arbeitslosengeldes II (ALG II). Tatsächlich haben rund 9.500 Personen beim KreisJobCenter einen Antrag auf diese Leistung gestellt. Das ist eine Steigerung von fast 50 Prozent, stellte McGovern fest.
Weit von sich wies der Erste Kreisbeigeordnete Vorwürfe des Bundeswirtschafstministers gegen die Kommunen. Wolfgang Clement hatte gemutmaßt, die Kommunen meldeten auch solche Menschen als Bezieher von ALG II an, die gar nicht arbeitsfähig seien. Dadurch könnten sie sich Bundeszuschüsse erschleichen, die ihnen eigentlich nicht zustünden.
"Die Definition der Arbeitsfähigkeit ist im Sozialgesetzbuch II sehr weit gefasst", erläuterte McGovern. "Wir halten uns streng an das Gesetz."
Unterstützung hatte Clement bei seinen Vorwürfen auch von Krankenkassen erhalten. Sie hatten behauptet, dass auch Wachkoma-Patienten ALG II bezögen. Abgesehen von der Tatsache, dass auch einem Wachkoma-Patienten beispielsweise nach einem Autounfall zunächst ALG II zustünde, verfolgten die Kassen mit ihrer Schützenhilfe für Clement sehr eigennützige Motive, meinte McGovern. Ihnen sei die Steigerung der Zahl gesetzlich versicherter Bezieher von ALG II gar nicht recht, weil es sich bei ihnen meist um wenig lukrative Kunden mit hohem Risiko handele.
"Der Bund hat ein Finanzierugnsproblem. Das möchte er nun abwälzen", resümierte der Erste Kreisbeigeordnete. Dabei halten er und Fischbach die Zusagen der Bundeseregierung an die Kommunen für noch nicht eingelöst. Versprochen seien 2,5 Milliarden Euro gewesen, um die die Kommunen durch Hartz IV entlastet werden sollten. Bisher habe der Bund aber nur höchstens 2,1 Milliarden Euro überwiesen.
Durch die Erhöhung der Fallzahlen kommen auf die Kommunen jedoch wesentlich größere Kosten zu. Statt der erwarteten 5.700 "Bedarfsgemeinschaften" hätten nun 7.300 "Bedarfsgemeinschaften" Anträge auf ALG II gestellt. Hinter jeder "Bedarfsgemeinschaft" stehen statistisch 1,3 arbeitsfähige Menschen. Hinzu kommen noch weitere Personen wie Rentner, Kinder oder Kranke. Für die Kommunen bedeutet jede "Bedarfsgemeinschaft" aber vor allem Ausgaben für die Wohnung. Das Wohngeld müssen Kreise, Städte und Gemeinden aus eigenen Mitteln aufbringen.
Die Steigerung der Fallzahlen erklärten Fischbach und McGovern mit einer größeren Bereitschaft, sich um stattliche Leistungen zu bewerben. Den Gang zum Sozialamt hätten viele Berechtigte aus falscher Scham gescheut.
Hinzu komme auch die geänderte Gesetzeslage. So müssen Eltern nun nicht mehr für ihre Kinder aufkommen. Berichtet wurde von Fällen, in denen junge Antragsteller einen Mitvertrag mit den eigenen Eltern über ein Zimmer in deren Wohnung vorgelegt hätten. "Das zeigt, dass die Bezieher von ALG II sehr erfindungsreich sind", kommentierte McGovern.
Erfindugnsreichtum ist auch beim KreisJobCenter gefragt. 70 Fallmanager sowie weitere 25 Beschäftigte in der Zuarbeit zu diesen Experten reichen angesichts der erhöhten Fallzahlen kaum aus. Die Lücke möchte McGovern mit befristeten Arbietsverträgen sowie der Auslagerung von Aufgaben an externe Auftragnehmer schließen.
Durchaus zufrieden äußerte er sich mit der bisher geleisteten Arbeit. Bis Anfang März habe man 272 Menschen auf sogenannte "Arbeitsgelegenheiten" vermittelt. Weitere 62 Erwerbslose konnte das KreisJobCenter sogar in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Insgesamt habe man 116 offene Stellen im regulären Arbeitsmarkt. Dabei stehe man bei diser Arbeit noch ganz am Anfang.
Angesichts dieser Tatsache zeigten sich Fischbach und McGovern zufrieden mit der Fehlerquote. Gegen Bescheide des KreisJobCenters gebe es nur 32 formale Widerspruchsverfahren.
 
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