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Text von Sonntag, 2. Januar 2005

> s o z i a l e s<
  
 Wie weiter, Wolfgang: Märchenonkel und Taschendieb 
 Marburg * (fjh)
Mit sinkenden Arbeitslosenzahlen rechnet Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Nach der Einführung von "Hartz IV" werde die Erwerbslosigkeit zunächst zunehmen, bis zur Jahresmitte dann aber deutlich zurückgehen. Das verkündete Clement am Sonntag (2. Januar) in der "Bild am Sonntag".
Die Sonntagszeitung berichtete in ihrer ersten Ausgabe des Jahres 2005 auch von einem Gutachten zu "Hartz IV". Danach ist der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass Teile des Gesetzespakets möglicherweise verfassungswidrig sind. Für die Struktur der Abwicklung von Leistungen nach dem "Sozialgesetzbuch II" (SGB II) durch Kommunen einerseits und die Bundesagentur für Arbeit (BA) andererseits gebe es im Grundgesetz keine Grundlage. Es sei zu befürchten, dass mehr als 2,7 Millionen Bescheide über "Arbeitslosengeld II" (ALG II) rechtswidrig sein könnten.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Regelungen des SGB II hate der Marburger Rechtsanwalt Dr. Peter Hauck-Scholz schon im sommer vorgetragen. Ein Hauptkritikpunkt war dabei die Höhe des ALG II. 345 Euro monatlich reichen seiner Ansicht nach nicht aus, um ein menschenwürdiges Leben zu führen.
Das Existenzminimum liegt nach Berechnungen von Barbara Stolterfoth bei 412 Euro. Die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) und ehemalige Hessische Sozialministerin hat der Politik vorgeworfen, den Betrag zu niedrig angesetzt zu haben, um damit auf Kosten der Hilfebedürftigen Geld zu sparen.
Ohnehin wurde die gesamte "Hartz-IV-Reform" mit heißer Nadel gestrickt. "Handwerkliche Fehler" bei der Ausarbeitung des Gesetzes hat auch die Bundesregierung inzwischen zugegeben. Zudem hat Clement eingeräumt, dass die Arbeitsagenturen in letzter Zeit voll mit der Umsetzung von "Hartz IV" beschäftigt waren. Für die Vermitlung von Stellen an Erwerbslose blieb da kaum Zeit. Die Reform hat die BA also von ihrer eigentlichen Aufgabe abgelenkt!
Dennoch kracht es deutlich hörbar im Geb&aml;lk. Bundeskanzler Gerhard Schöder hat sich vorsichtshalber schon einmal abgesetzt und Clement die persönliche Verantwortung für die "Reform" zugewiesen.
Dieses Schwarzer-Peter-Spiel scheint auch angezeigt zu sein: Eine Computerpanne bei der BA hat die fristgerechte Auszahlung der ohnehin knapp bemessenen Gelder gefährdet.
Leidtragende von alledem sind Erwerbslose und "Sozial Schwache". Ihr Wohlergehen scheint Politikern vom Schlage clements vollkommen schnuppe zu sein. Am Herzen liegen den Herren in Berlin die Besserverdienenden. Ihnen wurde zu Jahresbeginn - trotz angeblich leerer Kassen - sogar noch ein Steuernachlass eingeräumt.
In Deutschland funktioniert Politik zur Zeit wohl nach der Devise: "Immer auf die Kleinen!" Es wäre aber zu hoffen, dass sich die 2,7 Millionen Menschen wehren, denen die Bundesregierung mit ihrem Kabinettstückchen ein menschenwürdiges Leben vorenthalten will. Wie wäre es wohl mit Konsequenzen bei der nächsten wahl?
 
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