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Text von Samstag, 25. Juni 2005

> p o l i t i k<
  
 Den Faschos entgegen: Jedes Jahr Marktfrühschoppen 
 Marburg * (fjh)
"Jedes Jahr die gleiche Scheiße", steht auf dem Plakat. Es zeigt ein Klosett voller Fäkalien. Daneben steht die Aufforderung: Marktfrühschoppen fluten!"
Marburgs kürzestes Volksfest wird am Sonntag (3. Juli) wieder einmal unter Polizeischutz stattfinden müssen. Verbindungsstudenten werden in ihren Uniformen unter bunten Käppis auf Holzbänken zwischen biederen Bürgern vor dem historischen Rathaus sitzen. "Linke" werden versuchen, die Veranstaltung mit Trillerpfeifen oder Sprechchören zu stören. Für die Polizei ebenso wie für Marburgs Burschenschaften wird das vormittägliche Massenbesäufnis zum "Großkampftag".
Das Plakat in der Unterführung am Rudolfsplatz möchte zu den Protestaktionen gegen den Marktfrühschoppen mobilisieren. Hinter dem Kürzel "V.i.S.d.P." gibt es als Urheber einen K. Appenklauan. Seine Anschrift lautet "Am Markt 05".
In unmittelbarer Nähe kleben noch mehreree andere Plakate zu verschiedenen Themen. Hier übernimmt die studentische Gruppe "D.I.S.S.I.D.E.N.T." die Verantwortung im Sinne des Presserechts. K. Appenklau war hingegen so feige, sich hinter seinem "Pseudonym" und der temporären Adresse am Markt zu verstecken.
Ein Antifaschist ist der Urheber dieses Posters ohnehin nicht. Er deklariert die Teilnehmer des Marktfrühschoppens mit der dargestellten Symbolik zu brauner "Scheiße", die er "fluten" möchte.
Mit der Wasserspülung würde er Menschen hinwegschaffen.
Im Kampf gegen die - des Faschismus bezichtigten Burschenschaften - benutzt das Poster exakt die gleiche Symbolik wie einst die "Nationalsozalistische Deutsche Arbeiter-Partei" (NSDAP) im Kampf gegen Juden, Behinderten, Kommunisten, Roma und Sinti: Menschen werden zu "Ratten", zu "Unrat", zu "lebensunwertem Leben" oder zu "unnützen Essern" erklärt. So senkte einst das Nazi-Regime die Hemmschwellle der Bevölkerung, um dann vernichtende Aktionen gegen diese Gruppen durchsetzen zu können. Am Ende stand millionenfacher Mord.
Aus diesen schlimmen Erfahrungen haben die Müptter und Väter des Grundgesetzes eines gelernt: Die Achtung der Menschenwürde haben sie der deutschen Verfassung als oberste Leitlinie vorangestellt.
Nichts aus der Geschichte gelernt haen anscheinend aber die Urheber des Plakats zum Marktfrühschoppen, das mit seinem Bild vom Wasser-Klosett die Vernichtung der "braunen Scheiße" suggeriert. Sie wenden sich mit Nazi-Ideologie gegen vermeintliche Neonazis.
Einige Marburger Studentenverbindungen verhalten sich indes auch nicht demokratischer. Kritik an den Verbindungen mancher Verbindungen zur "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) oder anderen neofaschistischen Gruppierungen ist duurchaus angebracht. Doch mit der Klosett-Kritik diskreditieren deren Autoren sich nur selbs6t.
Pfiffiger war da schon die Aktion gegen den Marktfrühschoppen, die auf ironische Übertreibung setzte. Wohlgekleidete junge Leute standen gleich nach dem Beginn der Begrüßungsrede des bekannten Marburger Karnevalisten Teddy Scharlau auf und klatschten ihm beggeisterten Beifall. Verdutzt merkte Scharlau erst allmählich, dass der tosende Applaus gar nicht mehr enden wollte.
Das Problem des Neofaschismus wird man mit derartigen Aktionen freilich auch nicht lösen können. In Deutschland gibt es wahrscheinlich nur deswegen so viele "Rechte", weil zuwenig über Demokratie, Faschismus und Soziale Gerechtigkeit diskutiert wird. Die "braunen" Gesinnungen konnten sich nur deshalb breit machen, weil die etablierte Politik kläglich versagt hat. Sie spult vollmundige Reden von Demokratie und Sozialer Gerchtigkeit ab, während sie undemokratisches Verhalten und eine unsoziale Politik praktiziert.
Von Leuten, die sich selbst als "Linke" betrachten, sollte man freilich mehr erwarten als die billige Nazi-Propaganda des Posters unter dem Rudolfsplatz. Derartige Anspielungen spielen den "Rechten" nur in die Hände. Sie können sich dann als Märtyrer feiern, die einem ungerechtiten Vernichtungs-Feldzug ausgesetzt werden. Solche Plakate sind weder antifaschistisch, noch "links". Sie sind einfach nur link.
 
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