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Text von Mittwoch, 1. Juni 2005

> p o l i t i k<
  
 Beschämende Berichte: Für Politiker ist Holland in Not 
 Marburg * (fjh)
Otto Normalbürger ist dumm. Politiker hingegen sind wesentlich klüger als die meisten anderen Menschen. Jedenfalls in Holland und Frankreich ist das so. Dort haben die Bürger mehrheitlich gegen die Europäische Verfassung gestimmt. Dennoch wollen die Politiker an diesem verhasssten Dokument festhalten.
Nach der niederländischen Abstimmung am Dienstag (1. Juni) geben die europäischen Politiker Durchhalte-Parolen aus. Der Ratifizierungsprozess müsse fortgesetzt werden, hieß es.
Auch die deutschen Medien beteiligen sich mehrheitlich an dieser Meinungsmache. Die Abstimmungsergebnisse in unseren Nachbarländern werden als Katastrophe dargestellt, die allein fremdenfeindlichen Ressentiments zu verdanken sei. Der Respekt vor dem Souverän in den abstimmenden Ländern scheint bei den meisten bundesdeutschen Berichterstattern ziemlich geinng auszufallen.
Über die wahren Beweggründe vieler Kritiker hört man hierzulande kaum etwas. Dass das Dokument durch und durch den neoliberalen Geist der Acker- und Thumänner atmet, davon wird allenfalls am Rande berichtet. Und ebenso wie die meisten Bundestagsabgeorrdneten werden wohl auch die meisten Journalisten in Deutschland den Verfassungstext nicht gelesen haben. Schließlich ist das Papier viel zu dick!
Genau deswegen wurde es in unseren Nachbarländern auch abgelehnt: Es regelt alles Mögliche und Unmögliche bis ins kleinste Detail, versichert den Menschen in Europa aber keinerlei sozialer Schutzmechanismen. Geschützt werden allein die Unternehmen in ihrer Freiheit, alles auszubeuten, was ihnen in die Finger fällt.
Journalistenschelte ist weit verbreitet und wohlfeil. Hier aber ist sie ausnahmsweise einmal angezeigt. Wenn Journalisten sich mit Politikern gegen die Bürgerinnnen und Bürger verschwören, dann hören sie auf, seriöse Berichterstatter zu sein. Im Falle der EU-Verfassung war das leider häufiger der Fall.
Umso erfreulicher ist das Selbstbewusstsein der Stimmberechtigten in Frankreich und Holland. Sie haben an den Referenden jeweils in größerer Zahl teilgenommen als bei der letzten Wahl des Europa-Parlaments. Und in beiden Ländern ist das Ergebnis deutlich. Waren es in Frankreich runde 54,9 Prozent der Stimmberechtigten, so haben in den Niederlanden sogar knappe 63 Prozent dem Verfassungsentwurf ihre Zustimmung verweigert.
Dieses Dokument kann nach alledem keine Grundlage für eine Fortentwicklung Europas sein. Ein neuer Text muss her. Sozial ausgewogener muss er sein und weniger militaristisch.
Und ein neues Bewusstsein muss her! Journalisten und Politiker sollten sich endlich einmal mehr Respekt vor den Völkern angewöhnen, die sie doch immer als den "Souverän" preisen. Oder gilt das nur direkt vor Wahlen, solange die Stimmberechtigten "richtig" votieren?
Wenn diese Hetze gegen die EU-Kritiker so weitergeht, dann ist Holland in Not. Die Berichterstatter tun ja jetzt schon so, als wäre das der Fall. Dabei sind nur die Politiker in Not, denen die Menschen ihre altbackenen Konzepte der sogenannten "Reformen" nicht mehr abkaufen wollen. Aber die Bürger sind ja nur zu dumm dazu!
 
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