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Text von Sonntag, 16. Oktober 2005

> k u l t u r<
  
 Mobbing royal: Lear überzeugte das Publikum 
 Marburg * (fjh)
"Wenn wir geboren werden, weinen wir, dass wir auf diese Narrenbühne kommen", sagt König Lear. Das gleichnamige Drama von William Shakespeare feierte am Samstag (15. Oktober) in der Stadthalle Premiere.
Inszeniert hat die 1606 uraufgeführte Tragö der Theaterintendant selbst. Im vorangegangenen Inszenierungsgespräch des Freundeskreises des Hessischen Landestheaters bezeichnete er Shakespeares Stück als "Groteske". Die Geschichte um Ehrlichkeit, Macht, Intrigen und Wahnsinn sei auch 400 Jahre nach ihrer Uraufführung immer noch aktuell.
Der alte König möchte das Reich unter seinen drei Töchtern aufteilen. Jeder verlangt er zuvor jedoch einen Liebesbeweis ab. Während die beiden Ältesten Regan und Goneril Liebe heucheln, weigert sich Cordelia, ihre Zuneigung allein als Grundlage künftiger Macht zu bekunden. Deswegen verstößt Lear seine jüngste Tochter.
Abwechselnd residiert der König nach seiner Abdankung nun bei den beiden älsten Töchtern. Ein Gefolge von 100 Rittern begleitet ihn. Doch seinen Nachfolgerinnen ist der Vater nur eine teure Last. Systematisch beginnen beide, den Vater hinauszumobben.
Ein einziger Ritter und Lears Hofnarr halten dem König noch die Treue. Sie übernachten auf Stroh in einer Scheune. Nichts ist mehr übrig von Lears einstiger Macht.
Der König fängt an, an der Menschheit zu verzweifeln. Allmählich wird er wahnsinnig.
Inzwischen kommt Cordelia mit einem französischen Heer zurück. Sie möchte aber nicht etwa das Land erobern, sondern Lear wieder in seine alten Rechte einsetzen.
Ihre Lust auf den jungen "Edelmann" Edmund entzweit am Ende die beiden königlichen Schwestern. Der illegitime Sohn des Grafen von Gloucester hat sich durch rücksichtslose Intrigen gegen seinen Halbbruder und seinen Vater hochgearbeitet.
In der Rolle des boshaften und brutalen Egoisten Edmund brillierte Gabriel Spagna. Mal sanft einschmeichelnd, mal höhnisch lachend, mal aber auch eiskalt und rücksichtslos faltete er die gesamte Palette intrigatorischer Verhaltensweisen gekonnt auf.
In der Titelrolle bewies auch Peter Radestock sein großes schauspielerisches Können. Den Wahnsinnigen nahm man ihm ebenso ab wie den machtbewussten König.
Besonders mit ihrer Mimik und Gestik sowie ihrer Beweglichkeit auf der Bühne beeindruckte Laina Schwarz in einer Doppelrolle als Cordula und als Lears Hofnarr. In beiden Rollen war es ihr Part, dem König die ungeschminkte Wahrheit zu sagen.
Die Leistungen der übrigen Schauspieler waren auch allesamt überzeugend. Besonders hervorzuheben sind dabei Juliane Beier und Joanna-Maria Praml als Regan und Goneril sowie J&umml;rgen Helmut Keuchel als Graf von Gloucester und Daniel Sempf als Edgar. Auch Stefan Gille überzeugte als Graf von Kent.
Ebenso wie die Schauspieler begeisterte auch die Inszenierung durch ihre gelungene Mischung aus Ernsthaftigkeit und Ironie. An mehreren Stellen waren Anklänge an die aktuelle Politik unübersehbar. Dennoch wirkte es nicht gekünstelt, wenn die Darsteller in moderner Straßenkleidung auftraten. Das sehr sparsame Bühnenbild einer "Mulch-Arena" tat ein Übriges, die Wirkung des Texts und seiner Interpretation hervorzuheben.
Mit "König Lear" ist Ekkehard Dennewitz die zeitgemäße und zugleich werknahe Interpretation eines sehr anspruchsvollen Klassikers der Weltliteratur gelungen. Zu Recht bedankte sich das Publikum nach dreieinviertel Stunden Theatergenuss mit einem langanhaltenden donnernden Applaus bei allen Beteiligten.
 
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