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Text von Donnerstag, 9. Juni 2005

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 Befreite Triebe: Compagnia Buffo und die Liebe 
 Marburg * (mid)
Seit 20 Jahren tourt das Jahrmarkt-Theater "Compagnia Buffo" durch die Republik. Bereits zum zehnten Male hat das Künstler-Ensemble seine Zelte in Marburg aufgeschlagen. Am Lahnufer gastierten diesmal Jan Sturmius Becker, Angela Gülck, Willi Lieverscheid und Jirka Sova.
Mit einer abenteuerlichen Musikanten-Maskarade, in der das bayrische Heimat-Duo ebenso vertreten war wie die amerikanische Knastbruder-Band, präsentierten Sova und Becker noch vor dem Beginn der Vorstellung ein stimmungsgeladenes "Warm-Up". Dabei zeigten sie, was mit einem Banjo und einem getunten Waschbrett vor dem Bauch musikalisch alles machbar ist.
Bevor es dann richtig losging, betrat Willi Liverscheid, Gründer und komödiantischer Altmeister der Truppe, die Bühne, um dem Publikum zunächst einmal angemessenes Verhalten in sämtlichen Notfällen - von Stromausfall bis zum Zeltbrand - einzuschärfen.
Solchermaßen vorbereitet wurden die Zuschauer anschließend in ein schrilles, farbenfrohes Spektakel hineingezogen: Das eigentliche Programm begann im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten, wie es im Übrigen auch endete. Die skurrilen Szenen über "Liebe(n), Tode, Leidenschaften" - so lautet der Titel des Stücks von E. St. Smith, das sich die Kompanie im Jubiläumsjahr vorgenommen hat - reihten sich zusammenhanglos aneinander. Sie sprangen zwischen Schauplätzen und Jahrhunderten wild umher. Entfesselte sexuelle Triebhaftigkeit - und in diesem Zusammenhang das Verschwimmen der Grenzen zwischen Tier und Mensch - stellte sich dabei als herrschendes Motiv heraus.
Genauso war es auch im Fall des inhaftierten Freigeistes und Schriftstellers Marquez. Seine Maskierung wies ihn - wie die anderen Protagonisten auch - als tierisch-menschliches Mischwesen aus. Er befand sich mit seinem widerspenstigen, überdimensionalen Geschlechtsteil im Dauerstreit über die Prinzipien von Freiheit und Demokratie. Der intrigante Gefängnisgeistliche wiederum, in dem eine unschuldig Gefangene ihren Vergewaltiger wiedererkannte, suchte die Folgen seiner Tat zu vertuschen, indem er die von ihm Geschwängerte dem Schriftsteller zur freien sexuellen Verfügung auslieferte.
Möglicherweise hätte sich der eine oder andere Zuschauer gewünscht, dass der von Lieverscheid nach dieser Episode angekündigte "Themenwechsel" etwas dauerhafter gewesen wäre. Denn auch jenseits der Spielhandlungen im Dunstkreis von sexueller Abgründigkeit erwiesen sich die Schauspieler als Meister in der Inszenierung des Grotesken. Kurioses spielte sich zum Beispiel ab in der Einöde des ewigen Eises: Der dort forschende, schrullige Metereologe übermittelte wie gewöhnlich seinen Wetterbericht telefonisch - und in beeindruckendem Opern-Tenor - als Vertextung von Beethovens Mondscheinsonate. Da tauchte plötzlich eine Lichtgestalt von Eisprinzessin vor ihm auf. Alles hätte so schön sein können für die beiden, die in einem klassisch-anmutigen Pas de Deux gemeinsam übers Eis und im Glück schwebten, wenn da nicht plötzlich ein Eisbär, gefolgt von seinem fanatischen Jäger, die weiße Idylle empfindlich gestört hätte.
Das von der "Compagnia Buffo" gewohnte, sprühend lebendige Spiel mit vollem Körpereinsatz, die fantasievolle Kostümierung und vor allem die unglaublich vielseitigen Varianten der künstlerischen Umsetzung machten die inhaltlich etwas überstrapazierte Derbheit der Inszenierung locker wieder wett. Schattentheater, Puppenspiel und - neuerdings- Tanztheater sind nur einige der unzähligen Stilmittel.
Die Zuschauer zeigten sich vom wilden Mix begeistert. "Always look on the bright side of life" war die musikalische Botschaft, mit der sie von den Künstlern am Ende des bunten Spektakels zurück in den Alltag geschickt wurden. Wer diesem Trott entfliehen will, hat dazu noch bis zum 19. Juni Gelegenheit: Bis dann ist die Vorstellung der "Compagnia Buffo" außer montags jeden Abend um 20 Uhr zu sehen.
 
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