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Text von Dienstag, 7. Dezember 2004

> s o z i a l e s<
  
 Freiwilliger Zwang: Hände weg von Ein-Euro-Jobs! 
 Marburg * (stp)
Ihr neues Buch "Die Folgen der Agenda 2010" haben die vier Autoren Martin Bongards, Rüdiger Bröhling,Frank Renschler und Marco Tullney am Montag (6. Dezember) vorgestellt. Die Vorstellung fand im Café Trauma statt.
Dieses Café ist eine in Marburg bekannte soziale Einrichtung. Der Ort wurde von den Autoren gewählt, um direkt mit dem Geschäftsführer des Cafés über die Hintergründe von "Ein-Euro-Jobs" zu diskutieren. Ziel sollte sein, zu verhindern, dass auch das Café Trauma von "Ein-Euro-Jobs" gebrauch macht.
Bei der Diskusion verwiesen die Autoren darauf, dass grundsätzlich bis zum 1. Januar 2005 noch eine Wahlmöglichkeit von "Arbeitsgelegenheiten" gegeben ist. Im neuen Jahr aber können diese " "Ein-Euro-Jobs" " den Beziehern des sogenannten "Arbeitslosengeldes II" (ALG II) von der Arbeitsverwaltung zugewiesen werden.
Der Geschäftsführer des Cafés erklärte, das das Arbeitsamt mitgeteilt habe, das ab nächstes Jahr weder ABM noch - durch das Bundessozialhilfegesetz geförderte - "Arbeitsgelegenheiten" zur Verfügung stehen.
Die im Oktober einsetzenden Nachfragen nach "Ein-Euro-Jobs" im Café Trauma hätten die Überlegung gefördert, solche "Arbeitsgelegenheiten" anzubieten. Dies erwog man auch auch deshalb, weil die finanziellen Mittel des Cafés startk limitiert sind.
Nun wurden die Autoren deutlicher. "Arbeitsgelegenheiten" machen für die Bundesagentur für Arbeit (BA) nur Sinn, wenn der größte Teil freiwillig - mit positiven Einstellungen der Betroffenen - wahrgenommen wird. Für die zwangsweise zugewiesenen "Arbeitsgelegenheiten" entstehen Kosten für Kontrolle und "Regie", erklärte Bongards. Der Versuch Anfang der 80er Jahre, , Sozialhilfe-Empfänger in "Arbeitsgelegenheiten" zu zwingen, musste in Marburg nach etwa einem halben Jahr wieder aufgegeben werden, da die Kosten zu gross wurden und kein Erfolg der Arbeit zu verzeichnen war. Die Freiwilligkeit soll nun durch Androhung und auch exemplarische Umsetzung des Zwanges sozusagen gefördert werden.
Die Einwände der Betreiber des Cafés, das es ja auch um individuelle Problemlagen gehe, liesen die Autoren mit dem Hinweis nicht gelten, das das Café nicht für jeden Ein-Euro-Jobber einen Platz anbieten könnte. Es wäre somit nicht eine individuelle - wie von der BA vermittelte Problemlage - sondern ein von dem Betroffenen wegen fehlender Arbeitsplätze nicht zu verantwortende Situation. Deshalb sollte man nicht selbst aktiv für eine solche "Arbeitsgelegenheit" tätig werden und freiwillig in "vorauseilendem Gehorsam" - so Rentschler - die Auflagen der BA erfüllen.
Eine Lösung boten die Autoren an: Es gibt die Möglichkeit, das Betroffene im Café Trauma ihre Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigung als Ehrenamt ausüben. Damit wäre die finanzielle Seite von beiden Parteien erfüllt. Der Zwang entfällt.
Das die Arbeitsverwaltung denjenigen trotzdem in eine Zwangsmassnahme stecken kann, lässt sich so nicht ausschliessen. Wenn der Anteil der "Arbeitsgelegenheiten" unter Zwang allerdings hoch ist, sind die Erfolgsaussichten der BA gering.
Der ehemalige Zivildienstleistende Rüdiger Bröhling legte dar, das der Zivildienst als Schablone für die "Arbeitsgelegenheiten" gedient haben könnte. Der Zivildienst fungiere als selbst gewählte "freiwillige" Form der Arbeit, die Bundeswehr als den Zwangsweise geführten Teil.
Bröling verwies darauf, das die Substitution von Zivildienstleistenden durch Ein-Euro-Jobber für die Wohlfahrtsverbände nicht einfach macbar sei. Alleine die 40-Stunden-Woche des Zivis und die Dauer von 9 Monaten Zivildienst reichen gerade, um eine Einarbeitung und notwendige Ausbildung durchzuführen. Ein-Euro-Jobber arbeiten maximal 30 Stunden und deren Dauer reicht von 3 bis 9 Monate. Daraus ergebe sich für die Verbände eine sehr ungünstige Relation von Ausbildung und Einsatz.
Die Betreiber des Café Trauma werden wahrscheinlich keine "Arbeitsgelegenheiten" anbieten, sondern auf das Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung ausweichen. Sie wollen sich mit anderen Kulturbetreibern kurzschliessen um sich eventuell öffentlich von "Ein-Euro-Jobs" distanzieren.
 
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