Text von Samstag, 11. Dezember 2004
Eiliger Abbau: Heiliger Neoliberalismus! | ||
Marburg * (fjh)
Das Gemeinwesen lieferte einst die Bedeutung des Wortes "Politik". Nichts anderes als die Beschäftigung mit den Belangen der Bürger bedeutet das griechische Wort. Doch viele Politiker verstehen das immer häufiger falsch: Das gemeine Wesen wird in letzter Zeit mehr und mehr zum bestimmenden Element ihres Handelns. Ein brutaler Wettlauf hat in Deutschland eingesetzt. Jeder beeilt sich, soziale Errungenschaften noch schneller auf den Müll zu werfen als die anderen. Dabei verhalten sich viele wie die böse Königin in einem weltbekannten Märchen der Brüder Grimm: "Spieglein, Spieglein an der wand, wer ist der Neoliberalste im ganzen Land?" Nicht Schneewittchens Name wird dann allerdings genannt, sondern der einer großen Partei. Dass es die drei Buchstaben ihrer jeweiligen Machtclique seien, darum wetteifern die herrschenden Politiker mit ihren Kollegen der Opposition. Häufig geht die SPD einen Schritt voran auf dem neoliberalen Spielfeld. Dann rückt die CDU aber meistens sofort nach und überholt ganz schnell. Manchmal kommen beide allein nicht weiter. Dann kann es passieren, dass sie sich zusammenschließen und gemeinsam vorwärtspreschen. Ziel jedes Zuges ist jedenfalls immer der Abbau von Sozialleistungen. "Der Staat muss sparen", beteuern die Politiker fast einhellig. Mit dieser Aussage haben sie recht. Doch sparen sie immer bei den Sozial Schwachen. Den Spitzensteuersatz setzen sie herunter, die Vermögens- und die Erbschaftssteuer kommen für sie als Einkommensquelle des Staates nicht in Frage; aber an den Hilfen zum Lebensunterhalt knappsen sie ab, was nur irgend möglich erscheint. Das sogenannte "Arbeitslosengeld II" (ALG II) ist zum Leben zuwenig, aber zum Sterben zuviel. Sozial gesonnene Politiker werden an den Rand oder ganz aus ihren Ämtern hinausgedrängt. Das hat die CDU auf intrigante Weise deutlich gemacht. Der Buchstabe "C" - angeblich steht er für "christlich" - ist für die meisten Partei-Oberen schon seit vielen Jahren eine glatte Lüge.Das Gleiche gilt auch für das "S" bei der SPD. "Sozial" ist ihre Politik spätestens seit Gerhard Schröder nicht mehr. Ebensowenig sind die "Grünen" heute noch überwiegend ökologisch orientiert. Machtgewinn und -erhalt sind die treibende Kraft für fast alle herrschenden Politiker. Das alles ist sicherlich nicht neu. Neu ist jedoch die Dreistigkeit, mit der die Politiker die Bürgerinnen und Bürger einfach beiseite drängen. Man könnte den Eindruck gewinnen, sie alle seien von einem neoliberalen Virus angesteckt worden. Wahrscheinlich ist das auch so. Vermutlich grassiert dieser Virus in Form von Schecks. Schließlich ist die deutsche Politik spätestens seit der Kanzlerschaft Helmut Kohls käuflich. Trost spendet hier allerdings das Märchen von Jakob und Wilhelm Grimm. Die beiden einstigen Marburger Rechtsstudenten ließen dem gefährdeten Schneewittchen solidarische Hilfe zuteil werden. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die schöne Königstochter diese Unterstützung ausgerechnet von sieben Zwergen erhalten hat. Manchmal sind die "kleinen Leute" eben doch stärker als die Großmächtigen! | ||
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