Text von Dienstag, 9. November 2004
Online-Journalismus: Informationen mit Interaktion | ||
Marburg * (lyg)
"Online-Journalismus" war Thema des monatlichen Stammtischs der Deutschen Journalistenunion (DJU) am Dienstag (9. November) in der Gaststätte Auflauf. Die ehemalige Marburger MNZ-Mitarbeiterin Simone Kaucher stellte das Internet-Portal der Stadt Offenbach vor. Franz-Josef Hanke präsentierte die Online-Zeitung Marburgnews. Kaucher arbeitet seit 2003 als Online-Redakteurin für die Stadt Offenbach. Seit dem 26. März 2004 ist das städtische Portal online abrufbar. Zum Aufbau der Internetseiten wurde in diesem Projekt ein sogenanntes "Content-Management-System" (CMS) verwendet. Dabei werden die Internetseiten nach einem vorgegebenen Muster zusammengefahren. Die jeweiligen Autoren geben ihre Texte über ein Formular in den vorgefertigten Rahmen ein. Inhaltlich befassen sich viele unterschiedliche Arbeitsgruppen mit bestimmten Themengebieten wie Soziales, Umwelt oder Bildung. Auch externe Fachleute waren in Offenbach mit von der Partie und konnten somit themenspezifisch ihr Fachwissen darstellen. Zu Beginn des Projektes wurden um die 250 Leute geschult um den Aufbau der Seite voranzutreiben. Mittlerweile ist nur noch die Hälfte all derer beteiligt. Von ihnen arbeiten nur noch 30 bis 40 Mann intensiv an diesem Projekt weiter. Das eingesetzte CMS eröffnet ihnen dank seiner dezentralen Struktur nahezu uneingeschränkte Veröffentlichungsmöglichkeiten. Der "Status Quo" richtet sich momentan noch mehr auf die Information, als auf die Interaktion für die Nutzer. Kaucher erwähnte hierbei vor allem die Idee via Internet Amtswege zu erledigen, beispielsweise das Ausfüllen diverser Formulare. "Das neue Online-Stadtportal ersetzt aber kein kommunales Büro," hob die Redakteurin hervor. Mann müsse sich doch immer die Frage stellen, wie groß der Anteil derer sei, die letztendlich derartige Wege via Internet erledigen. Der Download der Formulare ist durchaus möglich, aber sie ausgefüllt online verschicken kann man nicht. Ein Vorzeigeobjekt der Seite ist hingegen die Möglichkeit zur Wohnungssuche. Überschaubar und viel genutzt stellt diese Option ein Primus dar. Beim "Online-Journalismus" fällt der ehemaligen Printredakteurin ein Aspekt positiv auf. Das Internet ermöglicht eine Langlebigkeit der Texte, wie sie bei Printmedien nicht gegeben ist. Man habe hier eine Mischung aus Tagesaktualität und zeitlosem Fundus. Auch die Gestaltungsmöglichkeiten sind durch Verlinkungen und dergleichen anders als bei Zeitungen. Online ging es anschließend von Offenbach nun nach Marburg. Franz-Josef Hanke, Freier Journalist aus Marburg, stellte dann seine Online-Zeitung "Marburgnews" vor. Ihre Genese begann 1998, als Hanke sich überlegte einige seiner Texte im Internet zu veröffentlichen. Ein Bekannter schlug im dann vor, dies zu systematisieren. Marburg hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Zeitung für Blinde. Eine Tageszeitung im Internet würde vielen Blinden ermöglichen sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren. So wurde im März 2000 Marburgnews ins Leben gerufen. Zu Beginn stellte diese Aufgabe für den Journalisten aber immer noch eher ein Nebenprodukt dar. Im Laufe der Zeit entwickelte das Projekt "Online-Zeitung" allerdings eine ungeahnte Eigendynamik. Im Oktober 2004 wurden insgesamt 172 Texte veröffentlicht. Dies ist zwar mit keiner Tageszeitung vergleichbar, Marburgnews ist aber auch kein kommerzielles Projekt. Es werden hierbei also keine Gewinne erzielt und die Nutzung aller Angebote ist kostenlos. Der Aufbau ging mit mehreren Effekten einher. Zum ersten stellt die Seite eine Form von Werbung dar, mit der sich der Marburger Journalist vorstellt. Schon des öfteren hat er hierdurch andere Aufträge an Land gezogen. Ein Großteil von Hankes Texten in Marburgnews sind Zweitverwertungen von Artikeln für andere Auftraggeber. Desweiteren bietet Hanke interessierten Neulingen die Möglichkeit in der journalistischen Arbeit Fuß zu fassen, als Sprungbrett quasi. Praxis ist in dieser Branche das A und O. Allerdings hat man es sehr schwer, ohne jegliche Erfahrung eine Stelle zu bekommen. Als vierten Effekt sei hier noch der Freiraum für Kommentare erwähnt. Und auch der Anspruch an Professionalität im Sinne der berufsethischen Regeln des Deutschen Presserates gerät nicht in Vergessenheit. Marburgnews bietet online sowohl große Interaktion, wie auch eine breite Information. Jeder berühmte Marburger, der in Artikeln von Marburgnews erwähnt wurde und wird, kommt auf ein Namensregister. Verlinkungen und Archivierung sind ein weiterer Vorraussetzung, für eine optionale Interaktion, beispielsweise über die Suchfunktion. Mit Hilfe eines "Virtual Servers" zeigte Hanke den Anwesenden eine Auswahl von Beispielseiten. Sie waren auf einem Laptop aufgespielt, von dem sie nun genauso abgerufen werden konnten, wie von einem Server im Internet. Hanke vermutet, dass die klassische Tageszeitung nie völlig von der Bildfläche verschwinden wird, das aber an die Stelle von Zeitungsausträgern elektronische Leitungen treten werden. Online und Print müssen also keine Konkurrenz darstellen. | ||
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