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Text von Samstag, 9. Oktober 2004

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 Caroline-Urteil: Pfarrer, Du sollst nicht stehlen! 
 Marburg * (vic)
"Wer sich in der Öffentlichkeit bewegt, befindet sich nicht mehr im privaten Raum und geht damit das Risiko ein, dass die Medien über ihn berichten", erklärte Manfred Protze. Der Journalist war auf Einladung des Vereins "Arbeit und Leben" am Freitag (8. Oktober) in der Volkshochschule (VHS) zu gast.
Sein Vortrag bildet den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe, bei der das "Medienforum" journalistische Fragestellungen diskutieren will. Protzes Vortrag über journalistische Berufsethik trug den Titel "Schweinejournalismus?".
Protze arbeitet als Redakteur für die Deutsche Presseagentur (DPA) in Bremen. Im Ehrenamt ist er vorsitzender des Beschwerdeausschusses beim Deutschen Presserat und Sprecher der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) in Ver.di.
Über die Medienberichterstattung in den Printmedien kann sich jeder Bürger beim Deutschen Presserat beschweren. Allerdings kann man dabei nicht allgemeine Tendenzen der Berichterstattung bestimmter Zeitungen anprangern. Man muss ein konkretes Beispiel aus einer Zeitung oder Zeitschrift anführen.
Der von Verlegern und Journalistenvereinigungen gegründete Presserat leitet dann eine Prüfung ein. Stimmt er der Beschwerde zu, kann eine milde Kritik geübt werden. Möglich ist aber auch als scharfe Form der Kritik das Aussprechen einer Rüge gegen den Verlag, der den Bericht veröffentlicht hat. Der Verlag muss diese Rüge dann in der betreffenden Zeitung abdrucken.
Die Arbeit des Presserats erfolge als Akt freiwilliger Selbstkontrolle, um Eingriffe des Staates in die Berichterstattung möglichst zu verhindern.
Das vom Europäischen Gerichtshof (EUGH) gefällte Caroline-Urteil schränke die Berichterstattung über prominente Personen erheblich ein, kritisierte Protze. Die Prinzessin von Monaco habe zunächst gegen die Veröffentlichung von Photos geklagt, die sie bei ihrem Alltagsleben zeigen: Beim Radfahren, beim Einkaufen oder zusammen mit ihren Kindern. Das Bundesverfassungsgericht habe aber nur die Photos beanstandet, auf denen auch die Kinder zu sehen waren. Kinder genießen einen besonderen Schutz, da sie sich nicht selbst schützen können. Deswegen müsse an dieser Stelle strenger verfahren werden.
Doch nun habe der EUGH im Caroline-Urteil weitere Hürden für die Medienberichterstattung aufgebaut. So müsse für derartige Veröffentlichungen ein begründetes öffentliches Interesse bestehen. Aber wann hat die Öffentlichkeit woran Interesse? Wer will das beurteilen?
Protze meinte, jeder müsse für sich selbst beurteilen, an was er wie viel Interesse habe. So gebe es durchaus sehr viele Menschen, die sich für Carolines Alltagsleben interessieren.
Über prominente Personen könne die Presse berichten, wenn daran ein begründetes öffentliches Interesse bestehe, erläuterte der Referrent. Privates dürfe die Presse über jemanden aber nur dann offenbaren, wenn es mit seiner Rolle in der Öffentlichkeit verknüpft werden könne. Der Zusammenhang zwischen privatem und öffentlichem müsse gegeben sein.
Protze kritisierte den Hang vieler Prominenter, die Medien für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Gerne griffen diese Leute auf die Medien zurück, doch wenn ihnen deren Berichterstattung nicht passe, sei auf einmal alles Privatsache und gehe Medien und Öffentlichkeit nichts an.
So werde man als Medienvertreter von Berühmtheiten gerne zu deren Hochzeiten eingeladen, während Scheidungen als Privatsache bezeichnet würden.
Auch habe es einen Fall gegeben, bei dem ein Pfarrer beim Diebstahl erwischt worden sei. Der ertappte habe sich gegen die Berichterstattung in den Medien gewehrt, da seiner Meinung nach das Klauen nichts mit seiner Tätigkeit als Priester zu tun habe. Doch wer Sonntags in der Kirche das moralische Gebot "du sollst nicht Stehlen!" von der Kanzel predige, montags aber selbst stehle, dürfe sich nicht darüber wundern, das sein Moralbruch in der Öffentlichkeit aufgegriffen werde.
Auch tote, kranke oder Straftäter verfügten über Persönlichkeitsrechte. Auch ihre Menschenwürde müsse gewahrt bleiben. So sei es nicht hinnehmbar, wenn Photos von Menschen im Sterbeprozess gezeigt werden.
 
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