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Text von Dienstag, 12. Oktober 2004

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 Mensch und Politik: Kreis-Option für Erwerbslose? 
 Marburg * (vic)
"Es darf in Marburg keine Zwangsarbeit geben", erklärte der PDS-Kreistagsabgeordnete Prof. Dr. Georg Fülbert. Der Politikwissenschaftler sprach auf der achten und damit vorletzten "Marburger Demo gegen Sozialabbau". Die "Aktion Soziale Gerechtigkeit" (ASG) führte sie am Montag (11. Oktober) unter dem Motto "Hartz IV muss weg!" durch.
Etwa 60 Demonstrierende ließen sich auch von der klirrenden Kälte nicht beeindrucken und machten sich auf den Weg vom Sozialamt zum Marktplatz. Dort fand die Abschlusskundgebung statt.
Dabei skandierten die Protestierenden Parolen wie "Heute hast du eine Stelle. Morgen nicht mehr - Karstadt-Quelle!" oder "Montags demonstriern die Kinder gegen die Hartz IV-Erfinder!"
Ab dem 1. Januar 2005 werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum sogenannten "Arbeitslosengeld II" zusammengelegt. Durch das Optionsmodell können die Betroffenen auch auf kommunaler Ebene betreut werden.
So hat sich auch der Landkreis Marburg-Biedenkopf um eine derartige Option beim Land Hessen beworben. Der Antrag ist bewilligt worden. Damit darf der Kreis die Betreuung der Langzeit-Arbeitslosen selbst übernehmen.
Dazu wird der Kreis ab dem 1. Dezember eine Koordinierungsstelle im ehemaligen EAM-Gebäude an der Uferstraße einrichten. Dort sollen bis zum 1. Januar die Anträge auf Arbeitslosengeld II bearbeitet werden.
Fülbert wandte sich auch gegen eine weit verbreitete Legende. Häufig werde behauptet, es gebe weder Arbeit, noch Geld. Beides sei im Zusammenhang mit dem Landkreis falsch, betonte der Politiker.
So habe der Sportkreis in Marburg schon seinen Bedarf zur Einstellung von Arbeitskräften im Rahmen der "Ein-Euro-Jobs" angemeldet. Aber auch andere Organisationen und Unternehmen hätten bereits großes Interesse an den neuen "Arbeitsgelegenheiten" bekundet. Viele warteten nur auf die Billig-Jobs, um Arbeiten erledigen zu lassen, für die man sonst aus Kostengründen niemanden einstellen wolle. Arbeit sei also offensichtlich genug da, meinte Fülbert.
Auch müsse eigentlich genügend Geld vorhanden sein. Denn kürzlich habe der Landkreis beschlossen, seine Schulen per Leasing-Vertrag nach Hannover zu verkaufen, erläuterte der Kreistagsabgeordnete. Dieses "Sale-and-Lease-Back"-Geschäft diene allein dazu, reichen Erben ihre Steuern zu verringern. Zumindestens sie hätten also zu viel Geld.
Somit seien die Argumente von Arbeits- und Geldmangel widerlegt. Tatsächlich gehe es eher darum, billige Arbeitskräfte für bestimmte Tätigkeiten heranzuziehen, argwöhnte der Politiker. Niemand dürfe aber zur Annahme eines "Ein-Euro-Jobs" gezwungen werden. Stattdessen müsse die Freiwilligkeit im Fordergrund stehen.
Auf diesen Punkt ging auch der Politikwissenschaftler Gert Meyer im Rahmen des "offenen Mikrofons" ein. Er forderte Juristen und Völkerrechtler zu einer juristischen Prüfung des Sachverhalts auf. Es stelle sich die Frage, ob Deutschland mit einem Arbeitszwang nicht gegen geltende Internationale Konventionen verstoße. Seines Wissens habe die Bundesrepublik ein entsprechendes Dokument ratifiziert.
Ein weiterer Teilnehmer beim "offenen Mikrofon" veranstaltete mit den Zuhörern ein Ratespiel. Dabei las er Zitate aus der Römerzeit von Cicero und von einem Französischen Schriftsteller und Dichter aus dem Jahr 1941 vor. Danach wollte er vom Publikum wissen, aus welcher Epoche die Zitate wohl stammen. In den Texten wird die Verschleierungstaktik der Politik bei der Durchsetzung ihrer Absichten gegenüber den Bürgern kritisiert. Die Menschen sollen von den Politikern hinters Licht geführt werden. Sie sollen glauben, dass die Dinge, die für die Bürger wichtig sind, diese aber nichts angehen. Solche Täuschungsmanöver seien auch heutzutage sehr weit verbreitet und tragen erheblich zur Politik-Verdrossenheit bei!
Die neunte und letzte "Marburger Demo gegen Sozialabbau" wird am Montag (18. Oktober) stattfinden. Doch will die "Aktion Soziale Gerechtigkeit" ihre Proteste gegen die Hartz-Reformen weiter fortsetzen. So ist bis Ende des Jahres die Durchführung weiterer Veranstaltungen geplant.
 
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