Text von Donnerstag, 15. July 2004
Ohne Pferd: Trojanischer Ost-West-Konflikt | ||
Marburg * (vic)
"Ich habe die Geschichte einfach 10 Jahre später weitergeschrieben", erläuterte Leif Allendorf. Mit seinem Buch "Sieger - eine Erzählung von Heute" legt der Autoreine neu erfundene Version des Trojanischen Kriegs vor. Auf Einladung der Deutschen Friedensgesellschaft/ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG/VK) war Allendorf zur Autorenlesung am Mitwoch (14. Juli) im Kulturladen KFZ zu gast. Der 38 -jährige Journalist und Schriftsteller hat in Marburg studiert. Nun lebt er in Berlin. Für sein Buch habe er sich Christa Wolfs "Kassandra" zum Vorbild genommen, erklärte der Autor. Sie habe den Krieg um Troja mit dem Ost-West-Konflikt in Verbindung gebracht. Er habe die Geschichte mit gleicher Themenstellung dann 10 Jahre weitergesponnen. Dabei führt er die Leserschaft 1.200 Jahre vor die heutige Zeitrechnung zurück: Troja wurde damals von den Griechen belagert und nach 10 Jahren schließlich auch erobert. Allendorfs Geschichte spielt wiederum 10 Jahre nach dem Fall Trojas. Dabei tauschen ein Grieche und eine Trojanerin ihre gegensätzlichen Kriegserfahrungen aus. Der Griechische Händler Lykos hat als Soldat an der Eroberung Trojas teilgenommen. Nun kommt er als Geschäftsmann in die Stadt zurück, wo er als griechischer Besatzer den Einheimischen begegnet. In einem Gasthaus lernt er die Trojanische Kellnerin Laodike kennen. Zu Kriegszeiten hat sie in Troja die Nahrungsmittelvorräte verwaltet. Sie nimmt Lykos mit zu sich nach Hause. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander. Dabei tauschen die beiden ihre Sichtweisen und Erfahrungen über das erlebte Kriegsgeschehen miteinander aus. Lykos beschreibt zunächst sein Dasein als griechischer Soldat im "Stellungskrieg". Diese Art der Kriegsführung aus dem Ersten Weltkrieg wird vom Autor schon im Prolog thematisiert. Im Stellungskrieg kommt es zu zahlreichen Verlusten unter den Soldaten, ohne das dabei Geländegewinne erzielt werden. Laodike berichtet Lykos von ihrer Arbeit als Hüterin der Kornkammern. In Allendorfs Geschichte ist Troja in zwei Lager geteilt: Die "Ja-Sager" kämpfen für den trojanischen König gegen die Griechen. Dagegen kämpfen die "Nein-Sager" nicht nur gegen die Griechen, sondern auch gegen die autoritäre Herrschaft des eigenen Königs. Laodike engagierte sich bei den "Nein-Sagern". Beide erzählen dann auch, wie unterschiedlich sie den Fall Trojas erlebt haben: Der Sieg wird in der Geschichte von Allendorf friedlich und ohne Gewaltanwendung errungen. Lykos hatte von seinem Vorgesetzten die Nachricht erhalten, dass die Trojaner die Tore der Stadt geöffnet haben. Für Laodike stellt sich die Sache etwas komplizierter dar: Als sich die Menschen zu einer vermeintlichen Rebellion zusammengerottet haben, nahmen die Adligen das zum Anlass, den unliebsamen König kurzerhand abzusetzen. Sie ließen "versehentlich" die Tore der Stadt öffnen. So konnten die Griechen einmarschieren. Allendorf bemerkte, dass er in seiner Geschichte ein friedliches Ende gewählt habe, was nicht der Realität entspreche. Damit wolle er auch ausdrücklich der Version vom "Trojanischen Pferd" widersprechen, die mitlerweile auch von vielen Forschern angezweifelt werde. Laodike beschreibt den Umgang zwischen Siegern und Besiegten in Troja: Die Trojaner glauben, dass es ihnen im alten Troja doch nicht so schlecht ging. Die Griechen dagegen fühlen sich den Besiegten Trojanern gegenüber überlegen. Eine geistige Paralele zum Ost-West-Konflikt sei dabei durchaus gewollt, bestätigte Allendorf. So glaubten viele "Ossis", dass in der DDR doch vieles gut gewesen sei. Dagegen glaubten die "Wessis", etwas besseres zu sein und dem Osten ihre Vorstellungen aufdiktieren zu können. Allendorfs nächstes Buch "Killersatelit" ist bereits in Arbeit. Es behandelt mit einer Spionage-Geschichte ganz direkt den Ost-West-Konflikt. |