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Text von Sonntag, 7. März 2004

 
Idziak: Kamera, Kunst, Krieg, Kommerz, Kritik
  Marburg * (muh)
Den selbstkritischen Sprung vom europäischen Kunst- zum amerikanischen Kriegsfilm vollzog der zweite Tag der 6. Marburger Kameragespräche. Am Freitag (5. März) hatten Stadt Marburg und Philipps-Universität den polnischen Kameramann Slawomir Idziak mit dem Kamerapreis 2004 ausgezeichnet. Am Samstag (6. März) wurden die Kameragespräche im Marburger Filmkunsttheater fortgesetzt.
Wer des Preisträgers wohl bestechendste Kamera-Arbeit "Die zwei Leben der Veronika" miterleben wollte, dürfte am Vorabend zeitig zu Bett gegangen sein. Das 1991 entstandene Filmkunstwerk des inzwischen verstorbenen polnischen Star-Regisseurs Krzysztof Kieslowski, mit dem Idziak eine enge Freundschaft verband, lief früh um 9.30 Uhr.
Am Mittag sprach Prof. Dr. Thomas Koebner von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zum Thema "Farbenspiel - zur Kamerakunst von Slawomir Idziak". Koebner lobte den vorangegangenen Film sehr. Unter anderem erläuterte er die Dominanz der Farbkombination Rot-Grün. Sein zuweilen witziger Vortrag erntete viel Applaus beim Publikum.
Idziak richtete sich im darauffolgenden Gespräch - wie schon am Vortag lobenswerterweise auf deutsch - an die Anwesenden. Er ging auf besondere Herausforderungen für Bildgestalter ein und stellte sich seine immerwährende Frage, wie Bilder für das Publikum funktionieren.
Um die ironische Distanz des Kinogängers zum Film überwinden zu können, müssten die Bilder den Zuschauer bereits in den ersten Minuten im Unterbewusstsein "attackieren". Im Gegensatz dazu könne sich die Story Zeit lassen, den Zuschauer emotional zu packen.
Idziaks Bildgestaltung wird vor allem wegen ihrer virtuosen Farbfilter-Technik bewundert. Gerne erzählt der Pole die Anekdote, wie sein Freund Kieslowski tagelang nicht mehr mit ihm redete, weil er einen von Kieslowskis Filmen unbedingt in Grün fotografieren wollte. Auch später habe er seine künstlerische Ausleuchtung immer wieder gegen heftigste Widerstände von Regisseuren, Produzenten und Kopierern durchzusetzen versucht.
"Ich liebe diese Grün-Gelb-Töne. Ich finde das originell", bekannte sich Idziak zu seiner besonderen Farbvorliebe. Eben diese Präferenz zeichnet auch den anschließend gezeigten US-Kriegsfilm "Black Hawk Down" aus, für den Idziak eine Oscar-Nominierung erhielt. Das umstrittene Werk von Ridley Scott ("Die Akte Jane", 1997) kam kurz nach den Anschlägen vom 11. September in die Kinos und wurde nachträglich umgeschnitten, was ihm in weiten Teilen der Filmkritik den Ruf eines einseitigen Propagandastreifens eingebracht hat.
Die seltsamerweise mit wachsendem Renommee einhergehende Disparität zwischen künstlerischer Intention und kommerziellem Endprodukt konnte an folgender Stelle wohl niemand Besseres kommentieren als der deutsche Kameramann Jost Vacano. Dessen geniale Kamerafahrten durch "Das Boot" machten ihn 1981 weltberühmt. In Hollywood arbeitete er später bei zynischen Action- und Kriegsfilmen wie "Starship Troopers" (1997) mit Regisseur Paul Verhoeven zusammen.
In der Abschlussdiskussion mit Idziak unter Einbeziehung des Auditoriums wurden moralische Konflikte bei der Kamera-Arbeit thematisiert. Dabei wurde massiv Kritik am Studio- und am Kinosystem geübt. So distanzierte sich Idziak inhaltlich vom Film "Black Hawk Down", lobte aber das Buch.
Gemeinsam mit Vacano versuchte er zu verdeutlichen, wie relativ gering in Hollywood der Einfluss von Bildgestaltern auf das Endprodukt sei. Folglich reduziere man seine Kamera-Arbeit oft auf funktionale Aspekte. Besonders bei hoch budgetierten, starbesetzten und technizistischen Genre-Filmen komme es auf eine gute Organisationsleistung und auf das Aushalten eines enormen finanziellen Verantwortungsdrucks an.
Idziak sparte nicht an genereller Kritik. Zum einen beklagte er die traditionell egomanische Hybris von Regisseuren: "Wenn man den ganzen Tag redet, hört man auf zu denken." Zum anderen wurde auch eine latent kamerafeindliche Literaturlastigkeit der Filmkritik festgestellt.
Am Ende stand die berechtigte Frage, warum es kaum möglich sei, dass sich etablierte Filmkünstler zusammenschließen und das unkommerzielle Kino, welches sie vermissen, einfach machen? Man entgegnete mit dem Tante-Emma-Dilemma: Wer kauft nicht eher im Supermarkt ein? Und welcher Kinobetreiber zeigt nicht lieber Kassenschlager? So ging am Schluss der Kameragespräche jede Seite mit einer verdaulichen Prise Selbstkritik nach Hause.
 
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