Text von Dienstag, 22. Januar 2002
Marburg * (sfb)
"Was kann ich tun, um in Amerika zu bleiben?" , fragte ein deutscher Austauschstudent Professor Konrad Jarauch. Anlässlich des 475jährigen Jubiläums der Philipps-Universität hielt der Historiker am Montagabend (21. Januar) in der "Alten Aula" den Vortrag "Amerika, Du hast es besser - die deutsche Universitätsidee in den USA und die USA als Vorbild für die deutschen Universitäten". Warum wollte der Student lieber an einer amerikanischen Universität studieren als an einer deutschen? Dortige Studenten kommen - so Jarauch - in den Genuß von komfortableren Lehrmittelangeboten. So hat jeder Student einen festen PC-Platz ; der Bücherbestand ist reichhaltiger. Längere Öffnungszeiten der Bibliotheken erlauben ein zeitlich flexibles Arbeiten. Ähnliche Erfahrungen machte der ehemalige Rockefeller-Stipendiat Jarauch, der jahrelang zwischen zwei Universitätswelten hin und her pendelte. Er kam zu dem Ergebnis, dass die deutsche Universität der amerikanischen deutlich unterlegen ist. Die deutsche "Massenuniversität", die in den 70er Jahren aufkam, bedürfe dringend einer Reform, um aus ihrer jetzigen Misere herauszufinden. Lange Studienzeiten, verkrustete Verwaltungsstrukturen, die einem Wasserkopf gleichen, mangelnde Qualifizierung der Wissenschaftler im internationalen Vergleich oder eine schlechte Finanzlage sind nur einige Mängel, die allseits beklagt werden. Doch klagen nützt nichts. Erklärungen, dass die Reformierung des bundesdeutschen Bildungssystems nach 1945 fehlschlug, und dass die starke Ideologisierung im Zuge der Studentenbewegung in den 60er Jahren eher blockierte, helfen da auch nicht weiter. Abhilfe könnte nach Jarauchs Ansicht eine Übernahme des amerikanischen Bildungssystems schaffen, das in jeder Hinsicht vorbildlich funktioniere. Eine vergleichsweise hohe Anzahl amerikanischer Nobelpreisträger beweise die wissenschaftliche Vorherrschaft der USA. Die von Jarauch geforderte "demokratische Elitebildung" an deutschen Universitäten sieht eine Einführung von Studiengebühren vor. Dies motiviere die Leistungsbereitschaft der Studierenden, ihr Studium innerhalb der Regelstudienzeit zu absolvieren. Entsprechend dem amerikanischen Vorbild empfehle sich auch die "leistungsbezogene Besoldung" der Hochschullehrer. Hierzulande erhalten die "Herrschaften" ihr Gehalt nach Dienstjahren. Eine Qualitätskontrolle findet nicht statt. Weitere Vorteile sind, dass Hochschulkarrieren früher beginnen. Berufungsverfahren entscheiden bereits in einer recht frühen Stufe über die Qualität von aufsteigenden Wissenschaftlern, die sich bei Nichteignung ohne Zeitprobleme beruflich umorientieren können. Sinnvoll wären außerdem mehr Überblicksveranstaltungen an den hiesigen Fachbereichen. Flexiblere Verwaltungsstrukturen und eine effektivere Hochschulleitung täten ebenfalls not. Kritische Einwände gegen das US-Bildungssystem wie beispielsweise Bedenken gegen die Privatisierung der Hochschulen baute Jarauch indes nicht in seine Argumentation ein. Für ihn sind die amerikanischen Universitäten uneingeschränkt positiv. Anfang des 19. Jahrhunderts gingen von deutschen Universitäten Impulse für die Erneuerung des amerikanischen Universitätsbetriebes aus. Heutzutage wäre eine umgekehrte Beeinflussung - zumindest teilweise - nötig. |