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Text von Montag, 25. November 2002


Human Touch: Getanzte Berührungen

Marburg * (FJH)
"Nun hab Ihr Eure Plätze gefunden, und schon sollt Ihr sie wieder aufgeben." Mit diesen Worten begrüßte eine Tänzerin der "Touchdown Dance Company " am Sonntag (24. November) das Publikum. Im Rahmen des Internationalen Blinden-Theaterfestivals "Punktspiele" traten die Briten am Sonntagabend in der überfüllten Waggonhalle auf.
Nur die letzte Reihe war bestuhlt, ansonsten saßen die - überwiegend jungen - Zuschauerinnen und Zuschauer auf Sitzkissen am Boden. So bot die Tribüne mehr - wenn auch sehr unbequeme - Plätze. Doch selbst die reichten für den Andrang nicht aus.
Als schließlich alle ein Plätzchen gefunden hatten, forderte die Tänzerin das Publikum auf, auf die Bühne zu kommen. Am besten sollten alle mitmachen.
So hielten die Zuschauerinnen und Zuschauer bald ihre Hände unter- und übereinander, führten damit gemeinsam Bewegungen aus und stiegen so wahrhaft gefühlvoll ins Programm der "Touchdown Dance Company " ein.
Berührungen sind das Thema der Tanztruppe aus Manchester, die aus drei Frauen und drei Männern besteht. Allan ist blind; je eine Tänzerin und ein Tänzer sind sehbehindert. Während Allan mitunter doch recht unbeholfene Bewegungen vollführte, zeigten die fünf anderen Akteure professionelles Tanztheater mit Niveau und Pfiff.
Immer wieder berührten sie einander. Sie erinnerten sich an frühere Erlebnisse und setzten diese Geschichten tänzerisch um. Bewegung war dabei immer das Leitmotiv.
"Wir möchten dazu beitragen, dass Berührungen in der Gesellschaft nicht mehr tabu sind", erklärte eine Tänzerin. So schmiegten die Darsteller sich aneinander an und bewegten sich dann im Gleichmaß zur ruhigen, asiatisch angehauchten Life-Musik ihres Gitarristen. Fast introvertiert wirkte der ausdrucksstarke Tanz um Stühle, an der Wand entlang oder umeinander. Die hohe Konzentration der Tänzerinnen und Tänzer übertrug sich dabei auch auf das Publikum.
Nach dem verdienten Applaus forderte die Truppe das Publikum auf, ihr Fragen zu stellen. "Was haben jetzt die blinden Zuschauer davon gehabt?", wollte jemand wissen. Ein Schüler der Blindenschule im schweizerischen Zollikofen erklärte, die Beschreibungen seines Lehrers hätten ihm zwar einiges vermitteln können, vieles sei jedoch unklar geblieben. "Tanz ist ein, visuelles Medium", erklärte eine Tänzerin. In England biete die Truppe zwar eine Audiodeskription an, bei der die Aktionen auf der Bühne beschrieben werden; doch könne die Verbalisierung das Zusehen nicht ersetzen: "Tanz ist eine eigene Sprache. Sie hat unendlich viele Worte.. So intensiv wie Tanz ist sonst kaum eine Sprache"


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