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Text von Mittwoch, 30. Oktober 2002


Abgezockt: Bahn schröpft Behinderte

Marburg * (kar/pm)
"Können so kalt soziale Standards auf Null gestellt werden?", fragt sich der Dr. Heinz Willi Bach angesichts der Änderungen bei der Bahn. Ein neues Fahrplan- und Tarifkonzept soll am 15. Dezember in Kraft treten. Der Marburger, der als Hochschuldozent in Mannheim arbeitet, ist stocksauer, weil die Mobilität behinderter Menschen erheblich eingeschränkt wird.
Seit 1978 fahren behinderte Menschen im Umkreis von 50 km um ihren Wohnort zum Nulltarif. Die Einführung des Rhein-Main-Verbund (RMV) und des Nordhessischen-Verkehrs-Verbundes (NVV) hat diesen Radius noch vergrößert. Nun will die Deutsche Bahn AG (DBAG) aber die wichtigste Ader im Regionalverkehr - die Interregios (IR) - abschaffen. In den Intercity-Zügen (IC), die künftig auf der Strecke Kassel-Frankfurt fahren sollen, gelten die Vergünstigungen für Behinderte allerdings nicht.
Den Hinweis, man könne die verbleibenden Nahverkehrszüge benutzen, weist Bach mit Entschiedenheit zurück. Die im Zwei-Stunden-Takt verkehrenden Züge stellen keine echte Alternative dar. "In den Doppelstock-Nahrverkehrszügen steht regelmäßig nur ein Zugbegleiter zur Verfügung, der dann zusätzlich zu seinen übrigen Aufgaben für Einsteigehilfen, Umsteigehilfen, Aussteigehilfen zuständig wäre", erklärt der Sehbehinderte.
Die Überfüllung der Nahverkehrszüge insbesondere an Wochenenden kompliziert das Bahnfahren für Behinderte zusätzlich. Für Bach steht fest: "Für Rollstuhlfahrer, körperbehinderte, sehbehinderte und blinde Menschen wird an Wochenenden damit das Zugangebot auf die Hälfte reduziert, in der Woche auf etwa 63%. Ein unhaltbarer Zustand."
Der Leiter der Fachgruppe Wirtschaft im Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) verlangt der Deutschen Bahn kein Sonderofper für Behinderte ab. Er kann sich auch für Behinderte eine ähnliche Regelung wie den Zuschlag vorstellen, den Studierende künftig für die Benutzung der ICs zahlen sollen: "Wir sind gerne bereit den allgemeinen Komfort-Zuschlag im IC auf der Main-Weser-Bahnlinie zu entrichten, darüber hinaus fordern wir Freifahrt wie bisher."

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