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Text von Mittwoch, 18. Dezember 2002


Alles Lüge: Nicht alle Züge

Marburg * (FJH)
Auf einem sehr sonderbaren Kurs befindet sich die Deutsche Bahn AG (DBAG) . In ihrem neuesten Kursbuch behauptete sie, es enthalte "alle Schienenverbindungen". Das stimmte jedoch nicht. Die Züge des privaten Bahnunternehmens Connex waren dort nicht aufgeführt. Nach einem Gerichtsbeschluss hat die DBAG die Auslieferung der Kursbücher stoppen müssen.
Eine zweite Einstweilige Anordnung des Landgerichts Berlin vom Mittwoch (18. Dezember) verpflichtet die DBAG nun, die Interconnex-Verbindungen des privaten Konkurrenten in alle ihre Fahrplanmedien aufzunehmen.
Mit der Wahrheitsliebe scheint es die DBAG ohnehin nicht so genau zu nehmen: Behauptete sie, ihre Züge seien zu 95 Prozent püktlich, so attestierte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ihr allenfalls eine 75-Pprozentige Pünktlichkeit. Totschweigen scheint auch die Devise der DBAG beim Umgang mit Betriebsstörungen zu sein. Läuft einmal nicht alles planmäßig, dann dann findet der genervte Fahrgast keine Ansprechpartner mehr; Durchsagen geben keine Auskunft über die zu erwartenden Veränderungen, oder sie finden erst gar nicht statt.
So mag man auch der vollmundigen Behauptung kaum glauben, der Fahrplanwechsel am Sonntag (15. Dezember) sei "reibungslos" verlaufen. Zu wesentlichen Verspätungen sei es nicht gekommen, behauptete die DBAG.
Der Regionalexpress von Gießen nach Köln kam dort am Dienstagmorgen (17. Dezember) mit knapp 10 Minuten Verspätung gegen 9.45 Uhr an. Bei der Rückfahrt erreichte der "Rhein-Sieg-Express" Gießen gegen 19.25 Uhr mit rund 30 Minuten Verspätung. Am Mittwoch (18. Dezember) hatte der Regionalexpress von Marburg nach Frankfurt 10 Minuten Verspätung und erreichte die Main-Metropole erst gegen 18.45 Uhr.
"Alle reden vom Wetter. Wir nicht!" So lautete vor vielen Jahren ein genialer Werbespruch der Bahn. Alle wettern über die Bahn, sogar ihr eigener Vorstandsvorsitzender. Der entblödete sich nicht, öffentlich kundzutun, dass er das Flugzeug längeren Bahnfahrten von mehr als vier Stunden vorziehe. Man stelle sich das mal in der Privatwirtschaft vor: Der Vorstandsvorsitzende von Schleimler-Scheißler zöge bei Fahrten von mehr als vier Stunden Dauer einen Forsche vor! Der wäre die längste Zeit Schleimler-Chef gewesen.
Die Bahn hingegen kehrt alle Prinzipien der Kundenorientierung um und verlangt "Frühbuchungen". Altersschwache Intercity-Waggons verkauft sie ihren Fahrgästen auf der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt und Kassel nun als "Verbesserung" und lässt sich die teuer bezahlen. Behinderte werden dabei am stärksten benachteiligt.
Der Marburger Hauptbahnhof macht abnds gegen 21.30 Uhr die Schotten dicht. Das Fahrgeld kassiert die DBAG ein, Service bietet sie dafür aber nicht! Über holprige, unbeleuchtete und gefährliche Wege müssen die Fahrgäste des Abends den Marburger Hauptbahnhof umgehen.
Mitunter kommt man sich als Fahrgast vor wie ein Sandsack oder ein Müllbeutel, so wenig zuvorkommend behandelt die DBAG ihre Kunden. Eine Bundesregierung, die dem Bahn-Chef Hartmut Mehdorn ungestraft faschistoide äußerungen über die Säuberugn der Bahnhöfe von Pennern und der Bahnhofsmission, behindertenfeindliche Tarifänderungen und Kundenverprellugn im Quadrat durchgehen lässt, die stellt sich damit selbst ein verkehrs- und sozialpolitisches Armutszeugnis aus. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe udn Bundeskanzler Gerhard Schröder sollten ebnso wie DBAG-vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn genau hinhören bei der Bahnhofsansae: "Zurücktreten bitte!"


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