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Text von Donnerstag, 12. Dezember 2002


Krank: Lärm und seine Folgen

Marburg * (kar)
Die neuesten Meilenschritte in der Lärmbekämpfung stellte Stas
dtrat Dr. Franz Kahle am Donnerstag (12. Dezember) Unter dem Titel "Lärm macht krank" im städtischen Umweltamt vor.
Um die Lärmbelastung der Bevölkerung zu reduzieren, dürfen laute Maschinen in Wohngebieten nur noch an Werktagen - dazu zählt auch der Samstag - von 7 Uhr bis 20 Uhr benutzt werden.
Insgesamt 57 unzumutbar laute Geräte werden in der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung vom 6. September 2002 aufgezählt. Zu den Bösewichtern gehören tragbare Motorkettensägen, Betonmischer und Rasenmäher. Als weit gefährlicher stuft der Gesetzgeber Laubbläser, Freischneider, Grastrimmer und Laubsammler ein. Sie dürfen künftig nur noch von 9 Uhr bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr eingesetzt werden. Verfügen diese Geräte jedoch über ein EU-Siegel, dass ihnen besondere Lärmarmut bescheinigt, so dürfen auch sie von 7 Uhr bis 20 Uhr in Betrieb genommen werden.
Wer nun meint, er könne Freitag Mittag seinen Rasen mähen, irrt leider. Denn die hessische Lärmverordnung vom 16. Juli 1993 schränkt die Rasenmähzeiten auf 7 Uhr bis 13 Uhr und 15 Uhr bis 19 Uhr ein.
Die Folgen der jüngsten Berliner Regelungswut stellen nicht nur die Stadt Marburg vor ein gravierendes Problem. Kehrmaschinen, die bislang morgens früh um 4 Uhr die Straßen reinigen, fallen unter die neue Bundeslärmverordnung und dürfen daher nur noch von 7 Uhr bis 20 Uhr Dienst tun. Sie müssen den Rudolphsplatz nun also zu Beginn des Berufsverkehres säubern. Staus und Behinderungen, Unfälle und blanke Nerven, das Chaos ist kaum abzusehen.
Um die Arbeit überhaupt in der relativ kurzen Zeitspanne schaffen zu können, vergrößern die Berliner Stadtreiniger ihren Fuhrpark von 13 auf 20 Kehrmaschinen und schaffen 4 zusätzliche Kleinkehrmaschinen an. Für Berlin bedeutet das Kosten von 27 Millionen Euro für Erstinvestitionen und 12 Millionen in den Folgejahren.
"Auch in Marburg muss neues Gerät angeschafft werden", kündigte Jürgen Wiegand an. Die komplette Umgestaltung des Einsatzplanes ist für den - von ihm geleiteten - Dienstleistungsbetrieb Marburg (DBM) dagegen ein kleines Problem.
Die Ironie der Geschichte ist, dass sich bisher niemand an den nächtlichen Aufräumarbeiten gestört hat. "In 10 Jahren ist mir keine Beschwerde wegen Kehrlärms zu Ohren gekommen", erklärte Regina Linda vom städtischen Ordnungsamt.
Lärmbelästigung ist sicher ein schwerwiegendes Problem. Es fragt sich aber, ob staatliche Regelungen wie die jüngste Lärmverordnung dazu beitragen, es zu lösen. Verkehrschaos statt Kehrlärm - sind das wirklich die Alternativen, vor die uns das neue Gesetz unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes stellen will? Das ist doch krank.


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